Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 2.2.2000, Az. 11 S 6149/98

Nächtlicher Lärm durch Gaststätte

Der Betreiber eines Lokals kann für den von seinen Gästen ausgehenden Lärm verantwortlich sein (einschließlich Motorgerä

Endurteil



Dem Beklagten wird geboten, durch den Betrieb seines Vereinsheimes ... veranlaßten ruhestörenden Lärm, durch den die Nachtruhe der Kläger im Anwesen .... in der Zeit zwischen 22.00 Uhr und 7.00 Uhr wesentlich beeinträchtigt wird, zu unterlassen.





Entscheidungsgründe



Den Klägern steht gegen den Beklagten ein Unterlassungsanspruch gem. § 1004 Abs. 1 BGB zu.





1. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht für die Kammer fest, daß in der Vergangenheit wiederholt Gäste des Vereinsheimes des Beklagten zur Nachtzeit ruhestörenden Lärm, insbesondere nach dem Verlassen des Lokals durch laute Unterhaltung sowie durch lautes Zuschlagen von Autotüren und sonstiges lästiges Wegfahrverhalten (z.B. beim Rangieren), verursacht haben, der im Nachbaranwesen der Kläger wahrnehmbar und als belästigend zu empfinden war.



Dies ergibt sich insbesondere aus den Angaben der Zeugen ..., die eigene Wahrnehmungen zu Art und Häufigkeit der Störungen anschaulich wiedergaben. Wenngleich nicht zu verkennen ist, daß diese Zeugen als Mitbewohner des Anwesens der Kläger ein gewisses Eigeninteresse am Ausgang des Verfahrens haben, hat ihr Aussageverhalten keinen Anlaß geboten, am Wahrheitsgehalt ihrer Darstellung zu zweifeln. Die Kammer hat daher keine Bedenken, die Angaben dieser Zeugen der Entscheidung zugrunde zu legen.

Dem steht auch nicht die Aussage des Zeugen ... entgegen, der bekundet hat, daß der Beklagte zwischenzeitlich Vorsorgeregelungen getroffen habe. So würden die Mitarbeiter des Beklagten ihre Fahrzeuge in einem anderen Innenhof parken und das Lokal durch einen anderen Ausgang verlassen; auch würden Gäste beobachtet, wie sie sich zum Parkplatz entfernten, wobei Stammgäste, soweit sie mit dem Auto da seien, ohnhin nicht vor dem fraglichen Ausgang parken und ohne übermäßigen Lärm losfahren würden. Dies stellt jedoch augenscheinlich keine ausreichende Vorkehrung dar, um von einem Teil der Gäste des Vereinsheimes des Beklagten verursachten ruhestörenden Lärm zu unterbinden. Dies wird insbesondere durch die Aussagen der Zeugen .... deutlich, die von weiterhin auftretenden Lärmbelästigungen berichtet haben, mag deren Häufigkeit auch nachgelassen haben. Aus den Angaben dieser Zeugen läßt sich auch hinreichend sicher entnehmen, daß die Störungen Gästen des Vereinsheims zuzuordnen sind.



2. Diese Störungen sind dem Beklagten zuzurechnen. Dies scheitert nicht daran, daß es sich um Lärm handelt, der nicht unmittelbar vom Vereinsheim des Beklagten herrührt, sondern von Gästen ausgeht.

Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts kann ein Betreiber eines Lokals grundsätzlich auch für das Verhalten seiner Gäste nach dem Verlassen des Lokals verantwortlich gemacht werden, wenn er in der Lage ist, von seinen Gästen ausgehende Störungen zu verhindern. Der Hinweis, solche Störungen seien auf die Konzessionierung zurückzuführen, deren Beseitigung eine öffentlich-rechtliche Angelegenheit sei, geht fehl.

Als Störer im zivilrechtlichen Sinne ist jemand für solche Beeinträchtigungen verantwortlich, die durch die von ihm betriebene Anlage adäquat kausal veranlaßt werden. Einem Lokalbetreiber sind daher auch die von seinen Gästen verursachten Geräusche, insbesondere durch das An- und Abfahren mit Kraftfahrzeugen und durch laute Unterhaltung im Freien in unmittelbarer Umgebung des Lokals, zuzurechnen (vgl. BGH NJW 1963, 2020; auch BGH NJW 1982, 440; LG Aachen NJW-RR 1986, 818; Staudinger / Gurski (1999), § 1004 Rn. 127).



Der Beklagte hat demnach für die fraglichen Belästigungen als mittelbarer Störer einzustehen. Daß er bereits alle geeigneten und ihm zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat, um auf seine Gäste mit dem Ziel der Vermeidung von ruhestörendem Lärm einzuwirken, ist nicht ersichtlich.



3. Eine Pflicht der Kläger, die Lärmbelästigungen nach § 1004 Abs. 2 BGB zu dulden, besteht nicht.



a) Die Auffassung des Beklagten, daß ein Unterlassungsanspruch der Kläger allein wegen der für das Vereinsheim erteilten Gaststättenerlaubnis ausscheide, trifft nicht zu. Eine solche Erlaubnis hat keinen Einfluß auf Inhalt und Umfang eines Anspruchs aus § 1004 Abs. 1 BGB (vgl. Staudinger / Gurski, a.a.O., Rn. 177 m.w.N.). Der Umstand, daß dem Beklagten öffentlich-rechtlich gestattet ist, die Gaststätte zu betreiben, bewirkt nicht, daß eine damit im Zusammenhang stehende Eigentumsverletzung im zivilrechtlichem Bereich sanktionslos bleibt.



b) Die Belästigungen sind von den Klägern auch nicht entsprechend § 906 BGB zu dulden.

Insbesondere liegt nicht nur eine unwesentliche Beeinträchtigung vor.

Bei der Bestimmung der Wesentlichkeit von Lärm ist im Zuge einer situationsbedingten Abwägung auf das Empfinden eines "verständigen Durchschnittsmenschen" abzustellen (vgl. BGHZ 121, 249). Dabei kommt es entscheidend auf die Lästigkeit in der konkreten Situation an, wobei die Lautstärke nur eine Komponente ist; daneben ist eine zeitliche Differenzierung geboten, ebenso ist auf die Eigenarten der verschiedenen Lärmeinwirkungen abzustellen. Erfahrungsgemäß werden kurzzeitig hohe Schalldrücke durch lautes Zuschlagen von Autotüren, Anfahrvorgänge und laute Gespräche verursacht, wodurch das Ruhebedürfnis der betroffenen Anwohner in unmittelbarer Umgebung der Lärmquelle vornehmlich in der Nachtzeit in erheblichem Maße beeinträchtigt werden kann.

Von solchen Belästigungen von besonderem Gewicht ist vorliegend aufgrund der oben wiedergegebenen Zeugenaussagen auszugehen. Die von Gästen des Vereinsheims des Beklagten ausgelösten Einwirkungen auf das Nachbaranwesen sind danach dergestalt, daß die Nachtruhe der Nachbarn, und damit auch die der Kläger, bisweilen in nicht zumutbarer Weise gestört wird. Die Kläger haben nicht hinzunehmen, daß sich Lokalbesucher, insbesondere nach dem Verlassen des Lokals, gehäuft nach dessen Schließung - auch bei Einhaltung der Sperrzeiten durch den Beklagten -, in einer Weise verhalten, daß es zu den beschriebenen, im Nachbaranwesen deutlich wahrnehmbaren "anormalen" Geräuschentwicklungen, die über den durch eine übliche Benutzung der dortigen öffentlichen Verkehrswege verursachten Lärm hinausgehen, kommt. Dabei ist es unerheblich, ob die Beeinträchtigung gegebenenfalls durch Schließen der Fenster auf ein erträgliches Maß reduziert werden könnte, da eine Verpflichtung, eine solche Maßnahme zu ergreifen, nicht besteht (vgl. LG Aachen, a.a.O., m.N.).

Nach allem ist eine wesentliche Beeinträchtigung im Sinne des § 906 BGB anzunehmen. Die Art der von den Zeugen geschilderten Geräusche ist bekanntermaßen, vor allem zur Nachtzeit, von besonderer Lästigkeit. Um zu diesem Ergebnis zu gelangen, bedarf es keiner Überprüfung durch Schallmessungen, zumal es sich hier nicht um einen gleichbleibenden Geräuschpegel, sondern um unregelmäßige, plötzlich auftretende Einzelgeräusche handelt.



Störungen der vorliegenden Art sind auch nicht als ortsüblich anzusehen (auch wenn die Kläger in einem Stadtteil mit hoher Gaststättendichte wohnen). Abgesehen davon ist nicht dargetan, daß der Beklagte die Störungen auf wirtschaftlich zumutbare Weise nicht verhindern kann, so daß eine Duldungspflicht der Kläger in keinem Fall gegeben ist (§ 906 Abs. 2 S. 1 BGB).



4. Es besteht auch Wiederholungsgefahr.

Diese wird durch die bisherigen Beeinträchtigungen indiziert.

Sie ist, auch wenn der Beklagte zwischenzeitlich die Gaststätte an drei Tagen in der Woche geschlossen hält und sonstige bestimmte Abhilfemaßnahmen getroffen hat, nicht weggefallen, wie sich nicht zuletzt aus den von Zeugen gleichwohl festgestellten Lärmbelästigungen ergibt.



5. Die Klägerin können demnach vom Beklagten Unterlassung in dem im Tenor bezeichneten Umfang verlangen, wobei die Zeit der Nachtruhe in Anlehnung an die Bestimmung des Art. 11 Abs. 1 BayImSchG a.F. festgesetzt wurde...

Dabei reichte es aus, dem Beklagten allgemein zu gebieten, ruhestörenden Lärm zu unterlassen, ohne die Wesentlichkeit der Beeinträchtigung näher festzulegen. Hierüber wird gegebenenfalls im Vollstreckungsverfahren entschieden werden müssen; Anhaltspunkte für den dabei anzulegenden Maßstab ergeben sich aus den vorliegenden Entscheidungsgründen (vgl. hierzu BGHZ 121, 248).





Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 2.2.2000, Az. 11 S 6149/98

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