Straßen im Besitz des Kreises VWG Minden, 3 K 422/07

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Klaus
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Straßen im Besitz des Kreises VWG Minden, 3 K 422/07

Beitrag von Klaus » 24.10.2008, 10:27

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn die Beklagte nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Tatbestand:
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Das von den Klägern Anfang Juli 2006 initiierte Bürgerbegehren hat den folgenden Wortlaut (der Fettdruck von Teilen der Frage folgt dem Original):
2

"Bürgerbegehren für den dauerhaften Verbleib des kommunalen Daseinsvorsorgebetriebes "Straßen" im Besitz des Kreises M. Ich bin dafür, dass die Bürgerinnen und Bürger des Kreises M. über folgende Frage entscheiden: Soll es der Kreis M. bei Neustrukturierungen im Bereich der kommunalen Daseinsvorsorge zukünftig unterlassen, insbesondere bei der Gründung neuer beziehungsweise der Änderung bestehender Gesellschaften im Bereich des Straßenbaus beziehungsweise der Straßenunterhaltung mit Bezug auf Planungs-, Bau-, Sanierungs-, Instandhaltungs-, Betriebs- und Finanzierungsleistungen für das Kreisstraßennetz - Gesellschaftsanteile oder maßgebliche Vermögensgegenstände des Betriebsvermögens an Private zu übertragen? Begründung: Im Interesse der Bürgerinnen und Bürger ist der dauerhafte Erhalt der kommunalen Betriebe zur Daseinsvorsorge - gerade im Bereich des Straßenbaus beziehungsweise der Straßenunterhaltung - im Kreisgebiet M. im Alleinbesitz des Kreises unverzichtbar. Betriebe der Daseinsvorsorge, die in kommunalem Besitz stehen, stärken nicht nur im hohen Maße die regionale Wirtschaft und speziell die mittelständischen Unternehmen. Sie sichern auch den Erhalt von qualifizierten Ausbildungs- und Arbeitsplätzen, zunehmend auch für Frauen. Daseinsvorsorgebetriebe im Bereich des Straßenbaus beziehungsweise der Straßenunterhaltung erbringen für die Bevölkerung unverzichtbare Versorgungsleistungen, deren ordnungsgemäße Bereitstellung bei einem Unternehmen in öffentlicher Hand in optimaler Weise gewährleistet ist, denn für kommunale Unternehmen und deren Aufgabenerfüllung sind die Wahrung der Interessen der Bürgerinnen und Bürger und das Gemeinwohl wesentliche Unternehmensgrundsätze. Bei einer möglichen Veräußerung von Gesellschaftsanteilen/maßgebli- chen Vermögensgegenständen des Betriebsvermögens an ein Privatunternehmen ist ein maßgeblicher Einfluss des Kreises M. auf die Unternehmenspolitik des Daseinsvorsorgebetriebes nicht gewährleistet, was zu einer Gefährdung ökologischer, beschäftigungspolitischer und sozialer Aspekte führt. Entscheidungen über Umfang, Qualität und Preis der für die Bevölkerung unverzichtbaren Daseinsvorsorgeleistungen dürfen deshalb nicht Privatunternehmen überlassen werden, die vorrangig gewinnorientiert sind; sie müssen in kommunaler Hand bleiben, um dauerhaft mehr als die Erbringung von Mindeststandards sicherzustellen. Kostendeckungsvorschlag: Wenn der Bereich des Straßenbaus beziehungsweise der Straßenunterhaltung im Alleinbesitz des Kreises M. bleibt, stehen die Erträge aus diesem Daseinsvorsorgebereich weiterhin dem Kreis M. in vollem Umfang zu, sodass sich die haushaltswirtschaftliche Situation des Kreises nicht verschlechtert. Erwartungen, durch eine (Teil-) Veräußerung von Geschäftsanteilen und/oder maßgeblichen Vermögensgegenständen im Bereich der kommunalen Daseinsvorsorge, wie zum Beispiel Grundstücken, Gebäuden und wesentlichen Betriebseinrichtungen, um die Einnahmesituation des Kreises M. (kurzfristig) zu verbessern, lässt sich auch durch eine konsequente Umsetzung der bereits eingeleiteten und fortzusetzenden Optimierungen innerhalb der jeweiligen Unternehmen erfüllen. Sie beugt darüber hinaus dem Risiko eines mittel- und langfristig kritisch zu bewertenden Ausverkaufs kommunalen Vermögens vor. Vertretungsberechtigte: ...
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Ich erkläre mit meiner Unterschrift, dass ich das Bürgerbegehren mit der auf dieser Seite abgedruckten Begründung unterstütze."
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Am 19. September 2006 übergaben die Kläger zu 1. und 2. dem Landrat des Kreises M. 16 Ordner mit insgesamt 6.108 Seiten mit Unterschriften von Unterstützern des Bürgerbegehrens. Bei einer Überprüfung wurde am 28. September 2006 festgestellt, dass sich die für die Zulässigkeit eines Bürgerbegehrens im Kreis M. unter anderem erforderliche Anzahl von Unterschriften auf 11.532 - 4 % der Bürger des Kreises - beläuft. Von den in 16 Ordnern insgesamt vorgelegten 19.285 Unterschriften wurden nach einer weiteren Prüfung 211 als ungültig und 19.074 als gültig gewertet.
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Der Beklagte stellte in seiner Sitzung am 6. November 2006 fest, dass das Bürgerbegehren unzulässig ist. In dem Bescheid des Landrats des Kreises M. vom 13. November 2006, in dem diese Entscheidung den Klägern bekannt gegeben wurde, heißt es zur Begründung unter anderem: Die zur Entscheidung gestellte Frage sei verschiedenen Auslegungsmöglichkeiten mit erheblichen Unterschieden in ihrer Tragweite zugänglich und damit unzulässig. Zudem diene die Fragestellung lediglich der Vorbereitung einer Entscheidung des Beklagten, und sie habe selbst keine konkrete Sachentscheidung zum Inhalt. Auch liege keine ordnungsgemäße Begründung vor, da die Tatsachendarstellung zu einer Verfälschung des Bürgerwillens führe. Schließlich genüge auch der Kostendeckungsvorschlag nicht den gesetzlichen Anforderungen. Zwar könne hier ausnahmsweise angenommen werden, dass ein Kostendeckungsvorschlag insoweit entbehrlich sei, da ein Unterlassen von Veräußerungen von Gesellschaftsanteilen/Vermögensgegenständen als solches keine Kosten i.S.d. § 23 Abs. 2 Satz 1 KrO NRW darstelle. Allerdings seien dennoch gemachte Äußerungen zu den Kosten an dem Maßstab zu messen, dass einer Verfälschung des Bürgerwillens vorgebeugt werden müsse. Dieses Ziel werde hier verfehlt. Zur vertieften Darstellung verweise er - der Landrat - auf das dem Bescheid als Anlage beigefügte Gutachten der Anwaltssozietät X. I2. (Bl. 109 - 139 BA I). In der Kreistagssitzung vom 6. November 2006 sei den Vertretungsberechtigten des Bürgerbegehrens, namentlich Herrn Dr. H. , sowie ihrem Bevollmächtigten, Herrn Rechtsanwalt C1. , Gelegenheit gegeben worden, den Antrag und ihre Rechtsauffassung zur Zulässigkeit des Bürgerbegehrens zu erläutern. Die Gründe für die Unzulässigkeit des Bürgerbegehrens seien Inhalt der Beschlussvorlage DS 132/2006 für die Kreistagssitzung am 6. November 2006 gewesen. Der Kreistag, der bei der Zulässigkeitsfeststellung weder einen Beurteilungs- noch einen Ermessensspielraum besitze, habe gemäß dieser Beschlussvorlage entschieden.
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Gegen den Bescheid des Landrats des Kreises M. vom 13. November 2006 erhoben die Kläger am 27. November 2006 Widerspruch. Zur Begründung nahmen sie Bezug auf ihre Ausführungen zur Zulässigkeit des Bürgerbegehrens in ihrem Schreiben vom 2. November 2006 (Bl. 166 - 181 BA I).
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Der Beklagte beschloss in seiner Sitzung am 22. Januar 2007, den Widerspruch der Kläger gegen den Bescheid vom 13. November 2006 zurückzuweisen.
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In dem dazu gefertigten Widerspruchsbescheid des Landrates des Kreises M. vom 24. Januar 2007 wird zur Begründung ausgeführt: Die Fragestellung des Bürgerbegehrens genüge insgesamt nicht den Anforderungen des § 23 KrO NRW. Die Frage des Bürgerbegehrens sei so zu formulieren, dass sie in sich widerspruchsfrei, in allen Teilen inhaltlich nachvollziehbar und aus sich heraus verständlich sei. Es dürfe sich keine Auslegungsfrage stellen, die nicht von jedermann zweifelsfrei und aus dem Stand heraus an Hand des jeweiligen Textes beantwortet werden könne. Auch wenn an die sprachliche Abfassung des Bürgerbegehrens keine zu hohen Anforderungen gestellt werden dürften, müsse die Fragestellung dennoch auch für einen Nichtfachmann eindeutig sein. Das sei hier nicht der Fall. Durch die Gestaltung des Bürgerbegehrens und durch die Fragestellung könne ein mit dem Bürgerbegehren konfrontierter Bürger nicht ausreichend sicher die Reichweite seiner Entscheidung abschätzen.
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Es sei zunächst nicht klar, ob es sich um ein initiierendes oder um ein kassatorisches Begehren gegen den das konkret geplante Straßen-PPP-Projekt fördernden Kreistagsbeschluss vom 19. Juni 2006 handele. Der Inhalt des Bürgerbegehrens könne entweder allgemein auf den Bereich der Daseinsvorsorge oder speziell auf den Bereich der Straßen bezogen verstanden werden. Nach der Überschrift des Unterschriftenbogens und damit nach einem wesentlichen Bestandteil des Bürgerbegehrens werde ausdrücklich auf den "Daseinsvorsorgebetrieb Straßen" Bezug genommen. Auch der Text der eigentlichen Frage des Bürgerbegehrens nehme Bezug auf den "Bereich des Straßenbaus beziehungsweise der Straßenunterhaltung" sowie auf die Erbringung diverser Leistungen für das Kreisstraßennetz. Es stelle sich daher für jeden Unterzeichnenden die Frage, ob sich das Bürgerbegehren nur gegen den Bereich des Straßenbaus beziehungsweise der Straßenunterhaltung (und damit auch gegen das konkret geplante und mit dem Kreistagsbeschluss vom 19. Juni 2006 weiter geförderte PPP-Projekt) richte oder nicht. Bei den mit dem Bürgerbegehren konfrontierten Bürgern würden verschiedene Auslegungsvarianten der Frage und damit eine Widersprüchlichkeit dadurch hervorgerufen, dass die reine Fragestellung des Hauptsatzes von der durch Fettdruck hervorgehobenen Fragestellung sowohl sachlich als auch inhaltlich abweiche. Die beiden Varianten unterschieden sich darin, dass mit dem Hauptsatz allgemein der Bereich der Daseinsvorsorge betroffen sei, mit dem durch Fettdruck hervorgehobenen Teil hingegen die Aufmerksamkeit der Bürger zielgerichtet nur auf den Bereich des Kreisstraßennetzes gelenkt werde. Zum anderen habe die Frage des Bürgerbegehrens inhaltlich verschiedene (Aufgaben-) Bereiche. Das Bürgerbegehren richte sich mit dem Hauptsatz gegen die Übertragung von Gesellschaftsanteilen oder maßgeblichen Vermögensgegenständen des Betriebsvermögens. Durch die fett hervorgehobene Fragestellung würden die Bürger dagegen auf einen ganz anderen Bedeutungsinhalt verwiesen, nämlich Planungs-, Bau-, Sanierungs-, Instandhaltung-, Betriebs- und Finanzierungsdienstleistungen an Private zu übertragen. Auch bei dieser Betrachtung könne ein mit dem Bürgerbegehren konfrontierter Bürger zu zwei verschiedenen Auslegungsvarianten kommen. Diese Widersprüchlichkeit der Fragestellung überwiege auch die Anhaltspunkte dafür, dass es sich bei der Nennung des Straßenbereichs eventuell nur um eine beispielhafte Erwähnung handele. Schon der Satzbau und die Länge der Frage führten dazu, dass einem Bürger, der vielleicht erstmalig mit der Angelegenheit betraut sei, nicht eine eindeutige Fragestellung hervorsteche. Es lenkten aber auch der Fettdruck eines Teilsatzes und die Überschrift des Bürgerbegehrens von der Fragestellung des Hauptsatzes ab.
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Die Fragestellung sei auch deshalb nicht für jedermann zweifelsfrei und aus dem Stand heraus verständlich, weil der auslegungsfähige Begriff der Daseinsvorsorge verwendet werde. Rechtsprechung und rechtswissenschaftliche Literatur ordneten immer wieder nur einige Teilaufgaben und -funktionen dem Bereich der Daseinsvorsorge zu. Eine durchgängige und widerspruchsfreie Definition dieses Begriffs finde sich nicht. Da die Frage hiernach aus mehreren Gründen nicht eindeutig und nicht aus sich heraus inhaltlich nachvollziehbar verständlich sei, dürfe zur weiteren Erforschung des Bedeutungsinhaltes der Fragestellung auf die Überschrift des Bürgerbegehrens, die angefügte Begründung und auf den Kostendeckungsvorschlag zurückgegriffen werden. Eingangs der Begründung würden - zunächst beispielhaft - die Bereiche des Straßenbaus beziehungsweise der Straßenunterhaltung erwähnt. In der Fortsetzung der Begründung würden dann explizit ohne Aufzählungscharakter die "Daseinsvorsorgebetriebe im Bereich des Straßenbaus beziehungsweise der Straßenunterhaltung" genannt. Auch die Begründung des Bürgerbegehrens gehe damit wiederholt auf den Bereich Straßen ein und stelle diesen in den Mittelpunkt des Bürgerbegehrens. Der Kostendeckungsvorschlag stelle noch eindeutiger auf den "Bereich des Straßenbaus beziehungsweise der Straßenunterhaltung" ab. Die haushaltswirtschaftliche Situation des Kreises werde in Bezug auf potentielle "Erträge aus diesem Daseinsvorsorgebereich" beleuchtet. Auch insoweit werde daher in erster Linie auf die geplanten Maßnahmen in Bezug auf den Bereich der Straßen eingegangen. Die Fragestellung des Bürgerbegehrens sei somit auch nicht unter Berücksichtigung der Begründung und des Kostendeckungsvorschlages eindeutig und nur einer Auslegung zugänglich. Überschrift, Frage, Begründung und Kostendeckungsvorschlag gingen zum Teil ausschließlich, zum Teil nur beispielhaft auf den Bereich der Straßen ein und ließen für die eigentliche Frage des Bürgerbegehrens mehr als eine Auslegungsvariante zu.
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Das Bürgerbegehren sei schließlich unzulässig, da es dem Beklagten lediglich Vorgaben für eine von ihm noch zu treffende Entscheidung mache. Ihm sollten lediglich für zukünftige Entscheidungen über eine Neustrukturierung im Bereich der kommunalen Daseinsvorsorge bestimmte Bindungen auferlegt werden. Damit diene die Fragestellung lediglich der Entscheidungsvorbereitung und habe selbst keine Sachentscheidung zum Inhalt.
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Die gemäß § 23 Abs. 2 Satz 1 KrO NRW erforderliche Begründung des Bürgerbegehrens diene dazu, die Unterzeichner über den Sachverhalt und die Argumente der Initiatoren aufzuklären. Diese Funktion erfülle die Begründung nur, wenn die dargestellten Tatsachen, soweit sie für die Entscheidung wesentlich seien, zuträfen. Dabei sei nicht zu verkennen, dass die Begründung auch dazu diene, für das Bürgerbegehren zu werben und damit auch Wertungen, Schlussfolgerungen oder Erwartungen zum Ausdruck zu bringen, die einer Wahrheitskontrolle nicht ohne Weiteres zugänglich seien. Auch möge die Begründung eines Bürgerbegehrens im Einzelfall Überzeichnungen und Unrichtigkeiten im Detail enthalten dürfen, die zu bewerten und zu gewichten Sache der Unterzeichner bleibe.
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Diese aus dem Zweck des Bürgerbegehrens folgenden Grenzen der Überprüfbarkeit seien jedoch überschritten, wenn Tatsachen unrichtig wiedergegeben würden, die für die Begründung tragend seien. Maßgebend für eine inhaltliche Kontrolle der Begründung sei allein das Ziel, Verfälschungen des Bürgerwillens vorzubeugen. Auf den Grund einer unrichtigen Sachdarstellung komme es nicht an. Vorliegend sei die Begründung des Bürgerbegehrens in wesentlichen Elementen unrichtig. In ihr werde ausgeführt, dass bei einer Veräußerung von Gesellschaftsanteilen/maßgeblichen Vermögensgegenständen des Betriebsvermögens an ein Privatunternehmen ein maßgeblicher Einfluss des Kreises auf die Unternehmenspolitik des Daseinsvorsorgebetriebes nicht gewährleistet sei, was zu einer Gefährdung ökologischer, beschäftigungspolitischer und sozialer Aspekte führe. Entscheidungen über Umfang, Qualität und Preis der für die Bevölkerung unverzichtbaren Daseinsvorsorgeleistungen dürften deshalb nicht Privatunternehmen überlassen werden, die vorrangig gewinnorientiert seien. Sie müssten in kommunaler Hand bleiben, um dauerhaft mehr als die Erbringung von Mindeststandards sicherzustellen.
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Bei Annahme eines im Ergebnis kassatorischen Bürgerbegehrens gegen den das Straßen-PPP-Modell fördernden Beschluss des Beklagten vom 19. Juni 2006 sei festzuhalten, dass nach diesem PPP-Modell der Beklagte Eigentümer der Straßen, Straßenbauwerke und technischen Anlagen bleibe und bei Neubaumaßnahmen unmittelbar Eigentum an den geschaffenen Werten erwerbe. Damit sei zum einen eine umfassende Einflussmöglichkeit über die Eigentumsposition des Kreises M. gesichert. Zum anderen sei und bleibe der Kreis M. Straßenbaulastträger mit seinem hoheitlichen Kernbereich. Damit sei eine maßgebliche Einflussmöglichkeit des Kreises M. nach dem Straßen- und Wegerecht bezüglich des Umfangs, der Qualität und des Preises für die Nutzungsmöglichkeit der Kreisstraßen gesichert. Schließlich sei nach dem Kreistagsbeschluss vom 19. Juni 2006 bei den zu entwickelnden Beteiligungsmodellen privater Dritter der dauerhafte maßgebliche Einfluss des Kreises M. auf das Leistungsergebnis zu berücksichtigen. Lediglich das operative Geschäft der Leistungserstellung solle ohne Einflussmöglichkeit des Kreises bewirkt werden. Ein Leistungsergebnis werde maßgeblich durch Umfang, Qualität und Preis bestimmt. Damit würden entgegen der Behauptung des Bürgerbegehrens die Entscheidungen hierüber nicht Privatunternehmen überlassen. Da der Kreis M. auch die Funktion der Unteren Landschaftsbehörde ausübe, bestehe keine Gefahr für ökologische Aspekte. Auch ein PPP-Modell beziehungsweise ein Privater müsse sich an die gesetzlichen Vorgaben des Natur- und Landschaftsschutzes halten. Beschäftigungspolitisch sei festzuhalten, dass die Belange des Mittelstandes in besonderem Maße Berücksichtigung erfahren sollten. Dazu seien im Vorfeld des Kreistagsbeschlusses vom 19. Juni 2006 Gespräche mit dem Bundesverband mittelständischer Unternehmen, der Industrie- und Handelskammer und der Kreishandwerkerschaft geführt worden, und zu solchen Gesprächen werde es auch weiterhin kommen. Gleiches gelte auch für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Straßenbetriebes des Kreises M. . Der Kreistagsbeschluss vom 19. Juni 2006 sehe vor, dass die berechtigten Interessen der beim Kreis M. beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter uneingeschränkt gewahrt würden. Soweit sie vom Kreis zu einer zu gründenden (Privat-) Gesellschaft oder zu einem öffentlich-rechtlichen Zweckverband wechselten, würden den Beschäftigten die erworbenen gesetzlichen und tarifvertraglichen Rechte vertraglich gesichert. Es seien unbedingte Rückübernahmerechte vereinbart worden. Zur Gewährleistung eines einheitlichen optimierten Personaleinsatzes solle zumindest das Direktionsrecht auf den Zweckverband/die Gesellschaft übergehen. Einzelheiten würden in Dienstvereinbarungen oder allgemeingültigen Regelungen mit der Personalvertretung geregelt. Damit sei neben dem beschäftigungspolitischen auch der soziale Aspekt umfassend berücksichtigt.
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Die Initiatoren des Bürgerbegehrens hätten ihm eine Begründung gegeben, die neben eigenen kommunalpolitischen Wertungen, Schlussfolgerungen und Erwartungen die tatsächlich zu dem Kreistagsbeschluss vom 19. Juni 2006 festgehaltenen Sicherungen der Einflussmöglichkeiten auf Umfang, Qualität und Preis der Daseinsvorsorge sowie auf die beschäftigungspolitischen und sozialen Aspekte vollständig außer Acht lasse. Diese sachlich unzutreffende, da nicht vollständige Darstellung sei für die Begründung tragend, da hierauf die Argumentation mit einem Verlust eines maßgeblichen Einflusses des Kreises M. auf ökologische, beschäftigungspolitische und soziale Aspekte der Unternehmenspolitik und mit der Überlassung von Entscheidungen über Umfang, Qualität und Preis der für die Bevölkerung unverzichtbaren Daseinsvorsorgeleistungen im Bereich Straßen allein an vorrangig gewinnorientierte Privatunternehmen aufbaue. Durch die seitens der Initiatoren des Bürgerbegehrens verkürzt wiedergegebene Darstellung einer Veräußerung von Gesellschaftsanteilen/maßgeblichen Vermögensgegenständen an Private als Ausverkauf kommunalen Vermögens werde das stets zu beachtende Ziel, einer Verfälschung des Bürgerwillens vorzubeugen, verfehlt. Hiernach sei es bei den unterzeichnenden Bürgern nicht zu einer ordnungsgemäßen Überzeugungsbildung gekommen.
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Die Unzulässigkeit des Bürgerbegehrens ergebe sich auch aus dem nicht ordnungsgemäßen Kostendeckungsvorschlag. Dass eine erwartete Einnahme durch (Teil-) Veräußerungen im Bereich der kommunalen Daseinsvorsorge entfalle, wenn es nicht zum Verkauf von Gesellschaftsanteilen komme, mache diesen Einnahmeausfall noch nicht zu Kosten der vom Bürgerbegehren verlangten Unterlassung einer Veräußerung. Danach fordere das Gesetz hier keinen Kostendeckungsvorschlag. Werde aber trotzdem ein Kostendeckungsvorschlag unterbreitet, so müssten Tatsachen, die für diesen und damit für das Bürgerbegehren insgesamt tragend seien, richtig wiedergegeben werden, denn auch der Kostendeckungsvorschlag könne für die Auslegung des Bürgerbegehrens herangezogen werden. In der vorliegenden Sache verfälsche die Aussage zu dem Bürgerbegehren, dass bei einem Alleinbesitz des Kreises M. die im Daseinsvorsorgebereich "Straßen" entstehenden Erträge in vollem Umfang dem Kreis M. zustünden, die tatsächlichen Gegebenheiten. Den positiven Erträgen stehe im Bereich der Straßen nämlich regelmäßig ein den Ertrag übersteigender Aufwand gegenüber. Dieser Daseinsvorsorgebereich führe deshalb im Haushalt des Kreises M. regelmäßig zu einem Verlust (Aufwand). Dies gelte nicht nur für ein Bürgerbegehren gegen die Straßen-PPP, sondern auch bei einem Bürgerbegehren gegen alle Privatisierungsbereiche der Daseinsvorsorge.
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Schließlich habe der Kreis M. auch nicht seine Pflicht zur Unterstützung eines Bürgerbegehrens massiv verletzt und schon gar nicht vor Beginn des Bürgerbegehrens den Eindruck erweckt, dass dieses die formellen Zulässigkeitsvoraussetzungen erfülle.
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Mit der rechtzeitig erhobenen Klage tragen die Kläger weiter vor: Die Frage des Bürgerbegehrens sei widerspruchsfrei, in allen Teilen inhaltlich nachvollziehbar und aus sich heraus verständlich. Es bleibe keine Auslegungsfrage übrig, die nicht von jedermann zweifelsfrei und aus dem Stand heraus an Hand des jeweiligen Textes beantwortet werden könne. Gegenteiliges folge auch nicht aus der Gestaltung der Fragestellung. Die von dem Beklagten monierte optische Hervorhebung sei ein Gestaltungselement, das die Eindeutigkeit der Fragestellung nicht tangiere. Sie könne gerade nicht dahingehend ausgelegt werden, dass sie sich allein gegen den das konkret geplante Straßen-PPP-Projekt fördernden Kreistagsbeschluss vom 19. Juni 2006 richte und der Kreis sich nur dieses PPP-Projektes im Bereich des Straßenbaus beziehungsweise der Straßenunterhaltung enthalten solle. Das Bürgerbegehren habe vielmehr nach seinem klaren Wortlaut einen initiierenden Charakter, indem es den Kreistag gleichsam in der Form eines Grundsatzbeschlusses binde, bei zukünftigen Privatisierungen im Bereich der Daseinsvorsorge eine Veräußerung von Vermögenswerten zu unterlassen. Die Interpretation des Beklagten spalte die einheitliche Fragestellung demgegenüber künstlich auf und blende bewusst aus, dass es sich bei der Erwähnung des Straßenbaus lediglich um eine beispielhafte Aufzählung handele. Dies werde durch die in der Frage verwandte Formulierung "insbesondere" eindeutig klargestellt, zumal auch die Begründung und der Kostendeckungsvorschlag den gesamten Bereich der Daseinsvorsorge erfasse. Flugblätter aus dem Umfeld der Initiatoren des Bürgerbegehrens dürften zur Auslegung der Fragestellung nicht herangezogen werden. Hinsichtlich der Begründung treffe es schlicht nicht zu, dass Tatsachen unrichtig wiedergegeben worden seien. Vielmehr werde in einer allgemein wertenden Betrachtung die Problematik der Veräußerung von Gesellschaftsanteilen im Bereich der Daseinsvorsorge dargestellt. Eine Täuschung des Bürgerwillens sei dadurch nicht gegeben. Die Ausführungen im Kostendeckungsvorschlag seien, soweit ein solcher überhaupt für erforderlich erachtet werde, hinreichend.
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Die Kläger beantragen,
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den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides des Landrats des Kreises M. vom 13. November 2006 und des Widerspruchsbescheides des Landrats des Kreises M. vom 24. Januar 2007 zu verpflichten, die Zulässigkeit des "Bürgerbegehrens für den dauerhaften Verbleib des kommunalen Daseinsvorsorgebetriebes ‚Straßen' im Besitz des Kreises M. " festzustellen.
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Der Beklagte beantragt,
22

die Klage abzuweisen.
23

Zur Begründung seines Antrags bezieht sich der Beklagte auf die Gründe des Widerspruchsbescheides sowie auf das von ihm eingereichte Rechtsgutachten der Rechtsanwälte T. T1. und Dr. N1. E. vom 20. Oktober 2006. Er macht darüber hinaus weitere Ausführungen (Bl. 47 ff. GA).
24

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
25

Entscheidungsgründe:
26

Die Klage ist zulässig. Sie ist als Verpflichtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 2. Halbsatz VwGO zu verfolgen, weil die Entscheidung des Beklagten über die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens durch Verwaltungsakt erfolgt. Insbesondere kommt der Feststellung des Beklagten die erforderliche Außenwirkung zu. Mit ihr stellt der Beklagte den Vertretern des Bürgerbegehrens gegenüber verbindlich und abschließend fest, ob die Voraussetzungen für die Durchführung eines Bürgerentscheids vorliegen. Die Entscheidung betrifft dabei nicht eine verteidigungsfähige Position des kommunalen Innenrechts, sondern ein subjektiv- öffentliches Recht der Gemeindebürger. Diese handeln nicht organschaftlich, sondern machen eine Position des Außenrechts geltend.
27

Vgl. OVG NRW, Urteile vom 5. Februar 2002 - 15 A 1965/99 - und vom 23. April 2002 - 15 A 5594/00 -.
28

Die Klage ist aber unbegründet.
29

Der Bescheid des Landrats des Kreises M. vom 13. November 2006 und dessen Widerspruchsbescheid vom 24. Januar 2007 sind rechtmäßig (vgl. § 113 Abs. 5 S. 1 VwGO). Die Kläger haben als Vertreter des Bürgerbegehrens keinen Anspruch darauf, dass der Beklagte gemäß § 23 Abs. 6 Satz 1 KrO NRW die Zulässigkeit des von ihnen vertretenen "Bürgerbegehrens für den dauerhaften Verbleib des kommunalen Daseinsvorsorgebetriebes ‚Straßen' im Besitz des Kreises M. " feststellt.
30

Zur Begründung hierfür nimmt das Gericht zunächst gemäß § 117 Abs. 5 VwGO Bezug auf die Begründung des Widerspruchsbescheides des Landrats des Kreises M. vom 24. Januar 2007, der es folgt, soweit sich aus den nachfolgenden Ausführungen nicht etwas Anderes ergibt.
31

Gegenstand der Beurteilung ist die im Bürgerbegehren aufgeführte Fragestellung in der von den Bürgern unterzeichneten Fassung (vgl. § 23 Abs. 4 KrO NRW) im Zusammenhang mit dem weiteren, zum Verständnis der Frage ergänzend heranzuziehenden Text des Bürgerbegehren, insbesondere der ihm beigegebenen Begründung.
32

Das Bürgerbegehren genügt bereits nicht den Anforderungen des § 23 Abs. 1 KrO NRW. Hiernach können Bürger im Wege des Bürgerbegehrens beantragen, dass sie an Stelle des Beklagten über eine Angelegenheit des Kreises selbst entscheiden. Das Bürgerbegehren der Kläger zielt aber nicht auf eine eigenständige konkrete Sachentscheidung über eine Angelegenheit des Kreises durch die Bürgerschaft,
33

vgl. zu dieser Voraussetzung für ein zulässiges Bürgerbegehren OVG NRW, Urteil vom 23. April 2002 - 15 A 5594/00 -,
34

nicht auf die Lösung eines Problems, das sofort oder in naher Zukunft einer hinsichtlich der Folgen überschaubaren, abschließenden Regelung zugänglich ist, sondern darauf, dem Beklagten für eine Vielzahl möglicherweise weit in die Zukunft reichender, inhaltlich, von dem als Beispiel genannten Bereich des Straßenbaus beziehungsweise der Straßenunterhaltung nicht einmal abgesehen, weitgehend unbestimmter Entscheidungen über "Neustrukturierungen im Bereich der kommunalen Daseinsvorsorge" abstrakt-generell rechtlich bindende Vorgaben zu machen (vgl. auch S. 10, erster Absatz des Schriftsatzes der Kläger vom 2. November 2006, Bl. 175 der Beiakte BA I; S. 2, zweiter Absatz am Ende des Schriftsatzes der Kläger vom 17. Juli 2007). Mit einem Bürgerentscheid wird jedoch nicht bezweckt, dass die Bürger dem Rat oder Kreistag Vorgaben für von diesem noch zu treffende Entscheidungen machen, sondern allein, dass die Bürger die eigentlich vom Rat oder Kreistag zu treffende, abschließende Entscheidung an dessen Stelle selbst treffen.
35

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 9. Dezember 1997 - 15 A 974/97 -, DVBl. 1998, S. 785 f. (786).
36

Im Übrigen liegen hier in § 23 Abs. 5 Nr. 1 bis 9 KrO NRW ausdrücklich genannte Gründe, die zur Unzulässigkeit eines Bürgerbegehrens führen, nicht erkennbar vor. Die Aufzählung solcher Gründe in § 23 Abs. 5 Nr. 1 bis 9 KrO NRW ist indessen nicht abschließend. Vielmehr sind in der Rechtsprechung weitere zur Unzulässigkeit eines Bürgerbegehrens führende Gründe herausgearbeitet worden und allgemein anerkannt. In der vorliegenden Sache kommt es insoweit vor allem auf zwei in der Widerspruchsbegründung zutreffend eingeordnete Gesichtspunkte an, nämlich einerseits darauf, dass die Unterzeichner eines Bürgerbegehrens dieses frei von durch den Text hervorgerufenen Willensmängeln unterstützen können und dass darüber hinaus durch das Bürgerbegehren der Entscheidungsgegenstand eindeutig festgelegt wird, der aus der Entscheidungskompetenz des Beklagten herausgelöst werden soll.
37

Vgl., auch zum Folgenden, OVG NRW, Urteil vom 23. April 2002 - 15 A 5594/00 - mit weiteren Nachweisen.
38

Nur eine eindeutige Umschreibung des Entscheidungsgegenstandes im Bürgerbegehren gewährleistet, dass der Beklagte hinreichend sicher eine dem Bürgerbegehren entsprechende Entscheidung gemäß § 23 Abs. 6 Satz 4 KrO NRW treffen kann oder dass ein erfolgreicher Bürgerentscheid dem Willen der Bürgerschaft entspricht.
39

Die im ersten Absatz des Bürgerbegehrens aufgeführte Frage ist nach ihrem objektiven Wortlaut für sich genommen so zu verstehen, wie die Kläger dies in dem vorliegenden Verfahren dargelegt haben. Sie drückt nämlich nur als Beispiel und damit allenfalls zum Teil ein kassatorisches, gegen den Kreistagsbeschluss vom 19. Juni 2006 und damit gegen das konkret geplante Straßen-PPP-Projekt gerichtetes Begehren aus, enthält im Übrigen aber ein initiierende Begehren mit dem Ziel, dass der Kreis M. es bei "Neustrukturierungen im Bereich der kommunalen Daseinsvorsorge" generell und ohne Beschränkung auf den Bereich des Straßenbaus beziehungsweise der Straßenunterhaltung unterlässt, Gesellschaftsanteile oder maßgebliche Vermögensgegenstände des Betriebsvermögens an Private zu übertragen.
40

Indessen ist das Bürgerbegehren - wie der Beklagte zu Recht angenommen hat - in seiner Gesamtheit auf Grund problematischer Formulierungen geeignet gewesen, bei dem Bürger, der es mit seiner Unterschrift unterstützt hat, der den Text - wie man erwarten muss - vollständig gelesen, aber naturgemäß keine umfassende Textanalyse und Interpretation vorgenommen hat, Fehlvorstellungen über das Ziel und die Reichweite der Fragestellung hervorzurufen. Das beginnt schon bei der Fragestellung selbst. Ihr Bestandteil, der mit "insbesondere bei der Gründung" beginnt und mit "Finanzierungsleistungen für das Kreisstraßennetz" endet, soll wohl als Einschub zur Erläuterung einer Frage dienen, die im Übrigen auch ohne diesen Einschub lesbar sein sollte, in dem der oben genannte spezielle Fall einer "Neustrukturierung im Bereich der kommunalen Daseinsvorsorge" beispielhaft benannt wird. Verdunkelt wird dies aber dadurch, dass dieser Satzbestandteil nicht - wie man es bei einer solchen Zielsetzung erwarten müsste - in Parenthese steht, sondern durch ein Komma eingeleitet und durch einen Gedankenstrich lediglich abgeschlossen wird. Gegen einen Einschub, der ohne Verlust des Sinnzusammenhangs ausgelassen werden könnte, spricht weiter, dass die am Ende der eigentlichen Frage stehenden Worte "Gesellschaftsanteile oder maßgebliche Vermögensgegenstände des Betriebsvermögens" ersichtlich an die ersten Worte des Einschubs ("insbesondere bei der Gründung neuer beziehungsweise der Änderung bestehender Gesellschaften ...") anknüpfen. Hinzu kommt, dass der Einschub mit der Aufzählung von Planungs-, Bau-, Sanierungs-, Instandhaltungs-, Betriebs- und Finanzierungsleistungen für das Kreisstraßennetz den Eindruck einer detaillierten Regelung erweckt, wie man sie von einem lediglich beispielhaft genannten Anwendungsfall nicht erwartet. Schließlich wird der unbefangene Leser durch das innerhalb der Fragestellung unterschiedliche Schriftbild geradezu herausgefordert, nur die fettgedruckten Satzbestandteile zu lesen, wodurch sich dann eine Frage ergibt, die sich nur auf die im Einschub benannte Fallgestaltung bezieht. Nur in diesem eingeschränkten Sinne, mithin nur als kassatorisches, gegen den Beschluss des Beklagten vom 19. Juni 2006 und damit auf die Verhinderung einer Public Private Partnership lediglich für den Bereich der M2. Kreisstraßen gerichtetes Vorhaben hat der Kläger zu 1. als Vertretungsberechtigter das Bürgerbegehren auf der Internetseite http://www.N2. .de/C2. .htm dargestellt mit dem Aufruf, dieses Bürgerbegehren zu unterstützen. Auf der genannten Internetseite hat der Kläger zu 1. sogar ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sich das Bürgerbegehren - unabhängig von der Fragestellung, durch sie sich der Leser nicht "irritieren" lassen solle - lediglich darauf beziehe, ob der Kreis den bereits gefassten Beschluss aufrechterhalten darf oder nicht und ob der Kreis zukünftig weitere Schritte im Hinblick auf dieses PPP-Projekt unternehmen darf oder nicht. Diese Darstellung war in jedem Falle geeignet, die ohnehin bestehende, oben dargelegte Gefahr eines Missverständnisses zu erhöhen, wobei es nicht darauf ankommt, ob bei dem Kläger zu 1. eine entsprechende Absicht bestand oder nicht.
41

Die hiernach anzunehmende erhebliche Gefahr, dass Unterzeichner des Bürgerbegehrens die zur Abstimmung zu stellende Frage nach Inhalt und Zielrichtung missverstanden haben, wird durch den übrigen Text des Bürgerbegehrens sogar weiter verstärkt. In erster Linie ist insoweit die Überschrift mit der Benennung des Bürgerbegehrens als "Bürgerbegehren für den dauerhaften Verbleib des kommunalen Daseinsvorsorgebetriebes ‚Straßen' im Besitz des Kreises M. " heranzuziehen, darüber hinaus auch der erste Satz des Kostendeckungsvorschlags, der sich ebenfalls allein auf den Bereich des Straßenbaus beziehungsweise der Straßenunterhaltung bezieht, für den der Beklagte auch zukünftig allein verantwortlich sein soll.
42

In Übereinstimmung mit der Begründung des Widerspruchsbescheides geht das erkennende Gericht weiter davon aus, dass die gemäß § 23 Abs. 2 S. 1 KrO NRW erforderliche Begründung des Bürgerbegehrens ihre Funktion, die Unterzeichner über den Sachverhalt und die Argumente der Initiatoren aufzuklären, nur dann erfüllt, wenn die dargestellten Tatsachen, soweit sie für die Entscheidung wesentlich sind, zutreffen, wobei allerdings Wertungen, Schlussfolgerungen oder Erwartungen außer Betracht bleiben müssen, die einer Wahrheitskontrolle nicht ohne Weiteres zugänglich sind. Insoweit ist zunächst der zweite Absatz der Begründung in den Blick zu nehmen. Eine Veräußerung von Gesellschaftsanteilen/maßgeblichen Vermögensgegenständen des Privatunternehmens, nach der dem Kreis M. ein maßgeblicher Einfluss auf die Unternehmenspolitik des Daseinsvorsorgebetriebes nicht mehr verbliebe, ist von dem Beklagten nämlich keineswegs beabsichtigt. Wenn die Kläger hierzu in der mündlichen Verhandlung haben vortragen lassen, dass im Vergaberecht schon ein Fremdanteil am Gesellschaftsvermögen in Höhe von einem Prozent einen "maßgeblichen Einfluss" des Mehrheitsgesellschafters ausschließen könne, so steht dies - unabhängig von der Richtigkeit der Aussage - nicht entgegen, weil die Kläger den maßgeblichen Einfluss des Kreises auf eine Gesellschaft nach dem Text der Begründung im Hinblick auf ökologische, beschäftigungspolitische und soziale Aspekte als bedroht ansehen, nicht aber im Hinblick auf vergaberechtliche Folgen. Mit Rücksicht darauf, dass der Kreis einen maßgeblichen Einfluss auch im Rahmen einer PPP-Gesellschaft aufrechterhalten will, ist auch die dem dritten Absatz der Begründung zu entnehmende Darstellung der Kläger als unrichtig anzusehen, Entscheidungen über Umfang, Qualität und Preis von Daseinsvorsorgeleistungen würden vorrangig gewinnorientierten Privatunternehmen überlassen, wenn das Bürgerbegehren keinen Erfolg habe,.
43

Dass dann, wenn der Bereich des Straßenbaus beziehungsweise der Straßenunterhaltung im Alleinbesitz des Kreises M. bleibt, die Erträge aus diesem Daseinsvorsorgebereich, wie es im ersten Satz des Kostendeckungsvorschlags heißt, weiterhin dem Kreis M. in vollem Unfang zustehen, ist zumindest irreführend, da Überschüsse aus diesem Bereich nicht zu erwarten sind. Der in diesem Zusammenhang erhobene Einwand der Kläger, dass der Begriff "Erträge" auch negative Erträge umfassen könne, greift nicht. Negative Erträge können jedenfalls im Zusammenhang mit dem ersten Satz des Kostendeckungsvorschlages nicht gemeint sein, da von negativen Erträgen jedenfalls nicht gesagt werden kann, dass sie dem Kreis M. "zustehen". Zu welchen Maßnahmen es im Rahmen der in Satz 2 des Kostendeckungsvorschlages genannten "konsequente(n) Umsetzung der bereits eingeleiteten und fortzusetzenden Optimierungen innerhalb der jeweiligen Unternehmen" kommen soll, ist schließlich nicht annähernd erkennbar. Darüber hinaus enthält dieser Satz an zwei Stellen grammatische Fehler ("um die Einnahmesituation ..." statt richtig "die Einnahmesituation ..." und "lässt" statt richtig "lassen"), die das Verständnis weiter erschweren.
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Unabhängig davon, dass der Text des Bürgerbegehrens hiernach geeignet war, bei einer beachtlichen Zahl seiner Unterstützer Fehlvorstellungen über seinen Inhalt hervorzurufen, ist der Entscheidungsgegenstand, der aus der Entscheidungskompetenz des Beklagten herausgelöst werden soll, in dem Bürgerbegehren nicht in der zu fordernden Weise eindeutig festgelegt. Dies ergibt sich insbesondere daraus, dass die Fragestellung selbst eine Vielzahl von Begriffen enthält, die keinen klaren, allgemein anerkannten oder nach dem Zusammenhang - auch von Nichtjuristen, an die sich ein Bürgerbegehren weit überwiegend richtet - ausreichend sicher zu bestimmenden Inhalt haben. Hierzu gehört vor allem der Begriff der "Neustrukturierungen im Bereich der kommunalen Daseinsvorsorge". Insoweit ist schon zweifelhaft, ob der Bereich, der in der Frage des Bürgerbegehrens als Beispiel ausdrücklich genannt wird, überhaupt zur kommunalen Daseinsvorsorge gehört. Hierunter versteht man nämlich herkömmlich, dass Kommunen Leistungen gegenüber ihren Bürgern, Einwohnern und gegenüber den dort ansässigen Gewerbetreibenden erbringen.
45

Vgl. auch die von den Klägern hierzu zitierten Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts vom 20. März 1984 - 1 BvL 28/82 -, BVerfGE 66, S. 248 ff. (258), und vom 14. April 1987 - 1 BvR 775/84 -, BVerfGE 75, S. 192 ff. (199).
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Das ist aber bei den Planungs-, Bau-, Sanierungs-, Instandhaltungs-, Betriebs- und Finanzierungsleistungen für das dem Kreis selbst gehörende Kreisstraßennetz gerade nicht der Fall. Unbestimmt und nicht ausreichend bestimmbar ist auch der Begriff der "Änderung bestehender Gesellschaften", bei dem nicht deutlich wird, welches Ausmaß eine solche Änderung haben muss, um die in der Frage genannte Folge auszulösen. Wenn man im Übrigen die in der Parenthese der Frage beispielhaft genannten Begriffe zugunsten der Kläger unberücksichtigt lässt, so verbleibt der in allen seinen Teilen ebenfalls unbestimmte Begriff "maßgebliche Vermögensgegenstände des Betriebsvermögens". Schließlich bleibt offen, ob unter "Übertragung" maßgeblicher Vermögensgegenstände des Betriebsvermögens an Private nur die Eigentumsübertragung zu verstehen ist oder auch eine Übertragung sonstiger Rechte, gegebenenfalls auch nur die Einräumung einer Nutzungsmöglichkeit.
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Der von den Klägern aufgeworfenen Frage, ob die Verwaltung des Kreises M. gegenüber den Klägern ihrer Verpflichtung aus § 23 Abs. 2 S. 3 KrO NRW nachgekommen ist, stellt sich im Rahmen des vorliegenden Verfahrens nicht, denn selbst dann, wenn diese Frage verneint werden müsste, könnte dies nicht zur Folge haben, ein - wie dargelegt - unter Zugrundelegung des § 23 KrO NRW und unter Berücksichtigung der dazu ergangenen Rechtsprechung und der dazu veröffentlichten Literatur unzulässiges Bürgerbegehren gleichwohl als zulässig anzusehen.
48

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 in Verbindung mit § 159 Satz 2 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 Abs. 1 VwGO in Verbindung mit den §§ 708 Nr. 11 und 711 ZPO.



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