Windenergieanlage VWG Minden, 9 K 1368/05

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Windenergieanlage VWG Minden, 9 K 1368/05

Beitrag von Klaus » 24.10.2008, 10:39

Verwaltungsgericht Minden, 9 K 1368/05
Datum: 23.03.2006
Gericht: Verwaltungsgericht Minden
Spruchkörper: 9. Kammer
Entscheidungsart: Urteil
Aktenzeichen: 9 K 1368/05
Tenor:

Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen. Das Urteil ist hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten des Beklagten ohne und hinsichtlich der Kosten im Übrigen nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar. Dabei darf der Kläger die Vollstreckung des Beklagten gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrages abwenden, wenn der Beklagte nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand:
1

Der Kläger begehrt vom Beklagten die Erteilung einer Baugenehmigung für die Errichtung einer Windenergieanlage des Typs GE Wind Energy 1.5s (Nennleistung: 1.500 kW, Nabenhöhe: 100 m, Rotordurchmesser: 70,5 m) auf dem Grundstück Gemarkung B. , Flur 6, Flurstück 172, im Gemeindegebiet der Beigeladenen.
2

Unter dem 12. März 2001 wurde dem Kläger von dem Beklagten ein als Bebauungsgenehmigung bezeichneter Vorbescheid für die Errichtung einer Windenergieanlage mit einer Nabenhöhe von 100 m und einem Rotordurchmesser von 70,5 m erteilt. Unter der Nebenbestimmung MA 2 des Vorbescheides hieß es, dass mit Stellung des Bauantrages die gesicherte Erschließung bis zum Standort der Windenergieanlage nachzuweisen sei.
3

Mit beim Beklagten am 11. März 2003 eingegangenen Bauantrag vom 09. März 2003 beantragte der Kläger die Erteilung einer Baugenehmigung für die Errichtung der streitgegenständlichen Windenergieanlage. Auf Aufforderung des Beklagten legte er mit Schreiben vom 07. September 2004 einen Lageplan vor, in dem zwei Varianten einer wegemäßigen Erschließung dargestellt waren. Nach beiden Varianten sollte die wegemäßige Erschließung von der I. Straße aus erfolgen. Die Varianten unterschieden sich lediglich darin, dass ein Teilstück des geplanten Weges in der ersten Variante über den Hof C. , T. 1, F. , in der anderen Variante unterhalb dieses Hofes verlaufen sollte.
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Mit Bescheid vom 21. Juli 2005 lehnte der Beklagte den Antrag des Klägers auf Erteilung einer Baugenehmigung für die Errichtung der streitgegenständlichen Windenergieanlage mit der Begründung ab, die wegemäßige Erschließung sei nicht gesichert.
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Mit seiner bereits zuvor am 30. Juni 2005 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren unter Nennung von nunmehr drei, im Baugenehmigungsverfahren so nicht vorgesehenen Erschließungsvarianten weiter. Die im Klageverfahren gänzlich neu eingeführte Erschließungsvariante war Gegenstand eines parallel verlaufenden Baugenehmigungsverfahrens zur Errichtung einer Windenergieanlage, deren Verwirklichung zwischenzeitlich aufgegeben wurde. Nach dieser Variante erfolgt die wegemäßige Erschließung gegenüber den ersten beiden Varianten weiter südlich, von der I. Straße aus.
6

Es ergibt sich danach folgendes Bild der wegemäßigen Erschließung:
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Zur Begründung seiner Klage führt der Kläger aus: Die Erschließungsfrage sei bereits durch den Vorbescheid vom 12. März 2001 in seinem Sinne geklärt. Von der Erschließungsvariante 1 seien die Grundstücke Gemarkung C1. , Flur 6, Flurstück 6, Gemarkung B1. , Flur 6, Flurstück 92, 9, 84 und 12, betroffen. Die Eigentümerin des Flurstücks 12, Frau J. K. , habe bereits am 28. August 2004 vorbehaltlich einer Entschädigungsregelung ihre Bereitschaft erklärt, einer Baulasteintragung zuzustimmen. Bei den Flurstücken 84, 9 und 92 handele es sich um öffentliche Wegeflächen, die im Eigentum der Beigeladenen stünden, und für welche die Eintragung entsprechender Baulasten damit nicht erforderlich sei. Die aktuellen Eigentümer des Flurstücks 6 seien nicht ausfindig zu machen. Auf die tatsächlichen Eigentumsverhältnisse komme es jedoch auch nicht an, weil das bezeichnete Flurstück 6 auf Grund einer faktischen Widmung als öffentliche Wegefläche anzusehen sei. Die Beigeladene behandele den Weg wie einen eigenen und habe auch dessen Unterhaltung übernommen. Auch bei der Erschließungsvariante 2 sei die Erschließung gesichert. Sie führe über die Grundstücke Gemarkung B. , Flur 6, Flurstücke 156, 32, 31, 29 und 173. Die Flurstücke 156 und 31 stünden im Eigentum des Herrn F1. -X. C. , der - was zutrifft - für die betroffenen Flurstücke 156, 31, 29 und 173 die Eintragung einer Baulast durch notariell beurkundete Erklärung vom 15. März 2006 (Urk.-Nr. 78/2006 des Notars C2. in C3. ) bewilligt habe. Das Flurstück 32 stelle eine öffentliche Wegefläche der Gemeinde dar, für welche die Eintragung einer Wegebaulast nicht erforderlich sei. Im Übrigen sei mit Blick auf das von ihr erteilte Einvernehmen im Sinne des § 36 BauGB und die geringe Bedeutung des Flurstücks 32 ihre Weigerung eine Baulasterklärung abzugeben rechtsmissbräuchlich. Die Abgabe einer Baulasterklärung werde im Klagewege vor dem Amtsgericht M. erstritten. Die weiterhin betroffenen Flurstücke 29 und 173 stünden zwar laut Grundbuch im Miteigentum der Herrn G. , G1. und F1. -X. C. . Bei den Herren G. und G1. C. handele es sich jedoch voraussichtlich nur um eine bereits vor ca. 70 Jahren verstorbene Person. Trotz umfangreicher Recherchen habe nicht abschließend festgestellt werden können, wer Rechtsnachfolger geworden sei. Es sei daher ein Grundbuchberichtigungsverfahren eingeleitet worden. Im Übrigen sei Herr F1. -X. C. auf Grund seines Miteigentumsrechts zur uneingeschränkten Nutzung des Weges berechtigt. Diese Berechtigung könne er auch durch eine entsprechende Baulasterklärung auf Dritte übertragen.
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Der Kläger beantragt,
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den Beklagten unter Aufhebung seines Ablehnungsbescheides vom 21. Juli 2005 zu verpflichten, ihm die mit Bauantrag vom 09. März 2003 begehrte Baugenehmigung zur Errichtung einer Windenergieanlage auf dem Grundstück Gemarkung B. , Flur 6, Flurstück 172, unter Berücksichtigung der Erschließungsvariante 1 zu erteilen, hilfsweise, den Beklagten unter Aufhebung seines Ablehnungsbescheides vom 21. Juli 2005 zu verpflichten, ihm die mit Bauantrag vom 09. März 2003 begehrte Baugenehmigung zur Errichtung einer Windenergieanlage auf dem Grundstück Gemarkung B. , Flur 6, Flurstück 172, unter Berücksichtigung der Erschließungsvariante 2 zu erteilen,
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hilfsweise, den Beklagten unter Aufhebung seines Ablehnungsbescheides vom 21. Juli 2005 zu verpflichten, ihm die mit Bauantrag vom 09. März 2003 begehrte Baugenehmigung zur Errichtung einer Windenergieanlage auf dem Grundstück Gemarkung B. , Flur 6, Flurstück 172, unter Berücksichtigung der Erschließungsvariante 3 zu erteilen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung führt er aus: Ein Nachreichen von fehlenden Genehmigungsunterlagen im Klageverfahren sei unzulässig, insbesondere im vorliegenden Fall, in dem der Kläger unmittelbar vor Ablauf der Frist zum 01. Juli 2005 die Klage eingereicht habe, um das Verfahren nach Baurecht zu erhalten. Die wegemäßige Erschließung sei nicht gesichert. Bei der Erschließungsvariante 1 habe der Kläger die Grundstücke Gemarkung C1. , Flur 5, Flurstück 127, Gemarkung C1. , Flur 6, Flurstück 152, Gemarkung B. , Flur 6, Flurstück 28 und Gemarkung B. , Flur 6, Flurstück 11, außer Betracht gelassen. 28 von insgesamt 39 Miteigentümern des Grundstücks Gemarkung C1. , Flur 6, Flurstück 6, hätten sich gegen die Nutzung des Weges als Zufahrt für die Erschließung und den Bau von Windkraftanlagen gewandt. Die Erklärung des Herrn F1. -X. C. sei unzureichend. Dieser sei zum Teil nur Miteigentümer der von der Zuwegung betroffenen Grundstücke. Soweit es nach der im Verwaltungsverfahren vom Kläger vertretenen Auffassung auf einen entgegenstehenden Willen der Grundstückseigentümer nicht ankomme, weil es sich um zur gemeinschaftlichen Benutzung bestimmte Wege handele, die gemäß § 3 Abs. 1 des Gesetzes über die durch ein Auseinandersetzungsverfahren begründeten gemeinschaftlichen Angelegenheiten vom 09. April 1956 von der Gemeinde verwaltet würden, fehle es bereits an der tatbestandlichen Voraussetzung eines beendeten Auseinandersetzungsverfahrens. Im Übrigen liege eine bisher auch nicht erfolgte Zustimmung der Beigeladenen zu der vom Kläger beabsichtigten Nutzung des Weges auch nicht im Rahmen einer ordnungsgemäßen Verwaltung, weil der Nutzungsrahmen erweitert werde. Der Kläger könne sich auch nicht darauf berufen, dass, soweit die Erschließung über Privatwege geführt werde, diese seit unvordenklicher Zeit für die Erschließung anliegender Grundstücke genutzt würden. Die Benutzung im Privateigentum stehender Wege durch fremde Personen zu dulden oder zu gestatten, lasse nicht den Schluss zu, der Eigentümer wolle sich damit der privaten Verfügungsmacht über seinen Weg begeben. Weiter könne, wenn es gesetzliche Vorschriften über die Entstehung öffentlich-rechtlicher Straßen gebe, die Öffentlichkeit der Straße nicht durch Gewohnheitsrecht entstehen. Mit der Lippischen kommunalen Wegeverordnung vom 28. Februar 1843, die bis zum Inkrafttreten des Landesstraßengesetzes 1961 gegolten habe, sei eine solche gesetzliche Vorschrift aber gegeben. Denn die Lippische kommunale Wegeverordnung habe einen administrativen Akt vorgesehen. Soweit der Kläger vorschlage, zum Teil einen neuen Privatweg neben einem bereits vorhandenen Privatweg zu bauen, komme dieser Vorschlag bereits deshalb nicht zum Tragen, weil ein derartiger Privatweg selbst wiederum ein baugenehmigungspflichtiges Vorhaben darstelle, dessen Genehmigungsfähigkeit im Außenbereich und Landschaftsschutzgebiet nicht gegeben sei. Schließlich fehle es an einer Verbindung zwischen den beiden vom Kläger im Klageverfahren verfolgten Erschließungsvarianten 1 einerseits und 2 bzw. 3 andererseits. Auf dem Grundstück, Gemarkung B. , Flur 6, Flurstück 172, befinde sich kein durchgehender Weg.
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Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt, jedoch erklärt in Bezug auf die in ihrem Eigentum stehenden Grundstücke keine Baulasterklärung abgeben zu wollen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Die Klage bleibt ohne Erfolg.
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Dabei kann dahinstehen, ob der Bauantrag durch die im Klageverfahren genannten Erschließungsvarianten modifiziert wurde und eine dann vorliegende Klageänderung im Sinne des § 91 Abs. 1 VwGO zulässig wäre. Hiergegen bestehen Bedenken, weil der Beklagte einer Klageänderung nicht zugestimmt hat und sich Zweifel an der Sachdienlichkeit der Klageänderung mit Blick darauf ergeben, dass für die Errichtung von Windenergieanlagen der strittigen Art nach dem 01. Juli 2005 eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung erforderlich ist.
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Die Klage ist jedenfalls auch unter Berücksichtigung der nunmehr vorgesehenen Erschließungsvarianten unbegründet.
21

Der Kläger hat, unabhängig davon, mit welcher Erschließungsvariante das Vorhaben verwirklicht werden soll, keinen Anspruch auf Erteilung der begehrten Baugenehmigung, da seinem Vorhaben öffentlich-rechtliche Vorschriften entgegenstehen (§ 75 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW). Dem Vorhaben steht zumindest § 4 Abs. 1 Nr. 1 BauO NRW entgegen. Die bauordnungsrechtlich zu fordernde Erschließung ist nicht im Sinne dieser Vorschrift gesichert.
22

Der Kläger kann nicht mit Erfolg geltend machen, dass über die Frage der wegemäßigen Erschließung zu seinen Gunsten bereits durch den Vorbescheid vom 12. März 2001 bindend entschieden worden sei. Zumindest die Frage der bauordnungsrechtlichen Erschließung war nicht Gegenstand seiner Bauvoranfrage.
23

Zu welchen Fragen des Bauvorhabens der Kläger einen Vorbescheid beantragt hat, lässt sich dem am 11. Juli 2000 eingereichten Antragsformular nicht eindeutig entnehmen. Im Antragsformular ist das Feld "Antrag auf Vorbescheid" angekreuzt. Unter "genaue Bezeichnung des Vorhabens" heißt es "Neubau einer Windenergieanlage Nabenhöhe 100 m, Rotordurchmesser 70,5 m". Im Feld "genaue Fragestellung zum Vorbescheid" findet sich keine Eintragung.
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Mithin muss durch Auslegung gemäß § 133 BGB ermittelt werden, welche Zulässigkeitsfragen der Kläger im Rahmen seiner Bauvoranfrage von der Baugenehmigungsbehörde mit Bindungswirkung entschieden haben wollte. Ausgangspunkt für die Auslegung kann dabei nur das konkret beschriebene Vorhaben sein, denn der Bauvorbescheid ist ein mitwirkungsbedürftiger Verwaltungsakt, dessen Inhalt durch den auf seine Erteilung gerichteten Antrag vorgegeben wird.
25

Vgl. BVerwG, Urteil vom 04. Juli 1980 - BVerwG 4 C 99.77 -, BRS 36 Nr. 158; OVG NRW, Urteil vom 20. Februar 2004 - 10 A 558/02 -, NVwZ-RR 2004, 538; Schulte, in: Boeddinghaus/Hahn/Schulte, Bauordnung für das Land Nordrhein-Westfalen, Loseblatt-Kommentar, Band 2, Heidelberg, München, Landsberg, Berlin, Stand: 01. Oktober 2005, § 75 Rn. 21.
26

Danach gehörte die bauordnungsrechtliche, wegemäßige Erschließung nicht zur Bauvoranfrage, weil die eingereichten Bauvorlagen ihre Beurteilung nicht erlaubten. Im Übrigen entspricht es der Praxis der Baubehörden bei fehlender Angabe einer konkreten Fragestellung allein über die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit zu befinden, soweit die eingereichten Unterlagen dies zu lassen.
27

Dementsprechend hat der Beklagte den Vorbescheid vom 12. März 2001 als Bebauungsgenehmigung bezeichnet und damit als einen Bescheid gekennzeichnet, der auf eine Voranfrage hin ergeht, die sich nur auf das Bauplanungsrecht bezieht.
28

Vgl. Heintz, in: Gädtke/Temme/Heintz, Landesbauordnung für das Land Nordrhein-Westfalen, Kommentar, 10. Auflage, Düsseldorf 2003, § 71 Rn. 9; Schulte, in: Boeddinghaus/Hahn/Schulte, Bauordnung für das Land Nordrhein-Westfalen, Loseblatt-Kommentar, Band 2, Heidelberg, München, Landsberg, Berlin, Stand: 01. Oktober 2005, § 71 Rn. 37.
29

Er hat zudem unter der Nebenbestimmung MA 2 hervorgehoben, dass mit Stellung des Bauantrages die gesicherte Erschließung bis zum Standort der Windenergieanlage noch nachzuweisen ist.
30

Für die somit vom Kläger nachzuweisende wegemäßige Erschließung ist zu fordern, dass das Baugrundstück einen gesicherten Zugang zu einer öffentlichen Straße hat. Dabei muss die Straße in der Lage sein, den von der Nutzung der baulichen Anlage ausgehenden Verkehr ohne Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit und des Straßenzustandes aufzunehmen.
31

Vgl. BVerwG, Urteil vom 01. März 1991 - BVerwG 8 C 59.89 -, DVBl. 1991, 593 (595); BVerwG, Beschluss vom 04. September 1987 - BVerwG 4 B 169.87 -, Juris; BVerwG, Urteil vom 28. Oktober 1981 - BVerwG 8 C 4.81 -, BVerwG 64, 186 (194); OVG NRW, Urteil vom 12. Mai 1980 - 11 A 454/78 -, VwRSpr. 1981, 566 (567); Söfker, in: F1. /Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Loseblatt- Kommentar, Band 2, München, Stand: 15. April 2005, § 35 Rn. 69 ff.; OVG NRW, Urteil vom 19. Mai 2004 - 7 A 3368/02 -, Juris; Roeser, in: Schlichter/Stich/Driehaus/Paetow, Berliner Kommentar zum Baugesetzbuch, Loseblatt, Band 1, 3. Auflage, Köln, Berlin, Bonn, München, Stand: Juli 2005, § 35 Rn. 12.
32

Das Baugrundstück liegt nicht an einer öffentlichen Straße.
33

Öffentliche Straßen sind gemäß § 2 Abs. 1 StrWG NRW diejenigen Straßen, Wege und Plätze, die dem öffentlichen Verkehr gewidmet sind. Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 StrWG NRW ist eine Widmung die Allgemeinverfügung, durch die die Straßen, Wege und Plätze die Eigenschaft einer öffentlichen Straße erhalten. Der Kläger hat weder vorgetragen, noch ist dies sonst ersichtlich, dass eine förmliche Verfügung in diesem Sinne seit der Geltung des nordrhein-westfälischen Straßenrechts mit Inkrafttreten des Straßengesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen - Landesstraßengesetz - LStrG - vom 28. November 1961 (GVBl. NRW. Seite 305; gemäß § 71 LStrG in Kraft getreten am 01. Januar 1962) erfolgt ist.
34

Nach § 60 Satz 1, 1. Hs. StrWG NRW - eine wortgleiche Bestimmung enthielt bereits § 60 Abs. 2 Satz 1, 1. Hs. LStrG - sind öffentliche Straßen im Sinne des Gesetzes auch diejenigen Straßen, Wege und Plätze, welche nach bisherigem Recht die Eigenschaft einer öffentlichen Straße besitzen. Bei der Prüfung ist auf das Wegerecht abzustellen, unter dessen Geltung die Straße entstanden ist, weil die Wege, über die die Erschließung des Vorhabens größtenteils erfolgen soll, nicht förmlich nach nordrhein-westfälischem Straßenrecht gewidmet sind, aber schon vor dem 01. Januar 1962 vorhanden waren.
35

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 26. November 2003 - 11 A 251/01 -, Juris.
36

Die von den Erschließungsvarianten in Anspruch genommenen Wege liegen im Gebiet des ehemaligen Fürstentums bzw. Landes Lippe. Für die Beurteilung der Frage, ob die Wegeflächen nach bisherigem Recht die Eigenschaft einer öffentlichen Straße besitzen, ist mithin das frühere lippische Wegerecht maßgeblich, das erst mit dem Inkrafttreten des Landesstraßengesetzes aufgehoben wurde (§ 69 Nr. 15 LStrG).
37

Danach waren öffentliche Straße als über- bzw. zwischenörtliche Verbindungen die Landstraßen und Kommunalwege sowie als innerörtliche Verbindungen die Dorfwege. Privatwege waren hingegen die Nachbarfahrwege, die ihrer Funktion nach als Wirtschafts- oder Interessentenwege dienten und von den Interessenten zu unterhalten waren. Sie konnten nur auf Grund einer der heutigen Widmung vergleichbaren administrativen Entscheidung die Eigenschaft einer öffentlichen Straße (Landstraße oder Kommunalweg) erlangen.
38

Vgl. vertiefend OVG NRW, Urteil vom 08. November 1984 - 9 A 2235/82 -, Seite 6 ff.
39

Danach waren die Wege, über die die streitige Windkraftanlage erschlossen werden soll, bis zum Inkrafttreten des Landesstraßengesetzes Nachbarfahrwege lippischen Rechts und damit Privatwege. Wie sich aus den vorgelegten Lageplänen und den Luftbildern ergibt, dienen die Wege der Verbindung einzelner Gehöfte unter sich oder der Anbindung landwirtschaftlicher Nutzflächen an diese Gehöfte.
40

Eine maßgebliche Verbindungsfunktion zwischen Ortschaften bzw. von Ortschaften mit Hauptstraßen der zur Erschließung vorgesehenen Wege ist nicht ersichtlich. Für die Eigenschaft der Wege als Nachbarfahrwege lippischen Rechts spricht auch, dass diese in der Karte des Katasteramtes von April 1883 anders als die Straße von C1. nach B2. nicht als Kommunalweg bezeichnet wurden.
41

Die Eigenschaft einer öffentlichen Straße ist den vom Kläger vorgesehenen Erschließungswegen nicht durch eine der heutigen Widmung vergleichbare administrative Entscheidung verliehen worden, insbesondere stellt die von dem Kläger behauptete und voraussichtlich erst nach dem Jahr 1962 vorgenommene Teilasphaltierung der Flurstücke 29 und 173 durch die Beigeladene keinen förmlichen Widmungsakt im vorgenannten Sinne dar.
42

Der Kläger kann sich ferner nicht mit Erfolg auf den Grundsatz der unvordenklichen Verjährung berufen. Dieser Grundsatz besagt, dass die Öffentlichkeit eines alten Weges dann angenommen werden kann, wenn er seit Menschengedenken unter stillschweigender Duldung des nichtwegebau- und - unterhaltungspflichtigen Privateigentümers in der Überzeugung der Rechtmäßigkeit als öffentlicher Weg benutzt worden ist.
43

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 26. November 2003 - 11 A 251/01-, Juris; OVG NRW, Urteil vom 08. November 1984 - 9 A 2235/82 -, Seite 14; Krämer, in: Kodal/Krämer, Straßenrecht, Kommentar, 6. Auflage, München 1999, Kapitel 4 Rn. 5; Fickert, Straßenrecht in Nordrhein-Westfalen, Kommentar, 3. Auflage, Köln, 1989, § 2 Rn. 11 ff.
44

Gegen eine Widmung kraft unvordenklicher Verjährung spricht, dass es gerade in ländlichen Räumen durchaus üblich ist, die Benutzung im Privateigentum stehender Wege auch durch fremde Personen zu dulden oder zu gestatten, ohne dass aus einem solchen Verhalten des Grundeigentümers ohne weitere Anhaltspunkte der Schluss gezogen werden kann, er wolle sich damit der privaten Verfügungsmacht über seinen Weg begeben.
45

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 08. November 1984 - 9 A 2235/82 -, Seite 15; Fickert, Straßenrecht Nordrhein-Westfalen, Kommentar, 3. Auflage, Köln 1989, § 2 Rn. 13.
46

Es ist auch nicht ersichtlich, dass die von dem Kläger für die Erschließung vorgesehenen Wege mit den früher vorhandenen und auf der Karte des Katasteramtes vom April 1883 verzeichneten Wegen in jeder Hinsicht identisch sind.
47

Vgl. zu dieser Voraussetzung: Krämer, in: Kodal/Krämer, Straßenrecht, Kommentar, 6. Auflage, München 1999, Kapitel 4 Rn. 5.
48

Da mit der Annahme der Öffentlichkeit eines Weges weit reichende Einschränkungen des Privateigentums verbunden sind und außerdem der in § 903 Satz 1 BGB verankerte Rechtsgrundsatz gilt, dass der Eigentümer einer Sache mit dieser nach Belieben verfahren und andere von jener Einwirkung ausschließen kann, gilt die Nichterweislichkeit der Öffentlichkeit zu Lasten des Klägers, der sich auf die Öffentlichkeit des Weges beruft.
49

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 26. November 2003 - 11 A 251/01 -, Juris; Fickert, Straßenrecht in Nordrhein-Westfalen, Kommentar, 3. Auflage, Köln 1989, § 2 Rn. 14.
50

Fehlt es danach an einer unmittelbaren Zufahrt zum öffentlichen Wegenetz, bedarf es zur Sicherung der Erschließung im bauordnungsrechtlichen Sinne einer besonderen Sicherung, nach der die Erschließung - hier die Anbindung an das öffentliche Wegenetz - auf Dauer zur Verfügung steht. Eine schuldrechtliche Vereinbarung des Bauherren mit einem privaten Nachbarn reicht hierfür nicht aus.
51

Erforderlich ist eine öffentlich-rechtliche Sicherung der Zufahrt durch Baulast gemäß § 83 BauO NRW. Nur die Baulast nach § 83 BauO NRW bietet die Gewähr dafür, dass die Zuwegung auf Dauer erhalten bleibt. Bei einer Dienstbarkeit besteht die Gefahr, dass der Eigentümer des Baugrundstücks sich die - für ihn frei verfügbare - Dienstbarkeit eines Tages vom Wegeeigentümer ganz oder teilweise abhandeln lassen könnte mit der Folge, dass dann eine ausreichende Zuwegung zur öffentlichen Verkehrsfläche fehlt.
52

Vgl. Heintz, in: Gädtke/Temme/Heintz, Landesbauordnung für das Land Nordrhein-Westfalen, Kommentar, 10. Auflage, Düsseldorf 2003, § 4 Rn. 35 f.; Hahn, in: Boeddinghaus/Hahn/Schulte, Bauordnung für das Land Nordrhein-Westfalen, Loseblatt-Kommentar, Band 1, Heidelberg, München, Landsberg, Berlin, Stand: 01. Oktober 2005, § 4 Rn. 18.
53

Eine solche Baulast ist im hier maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung weder eingetragen noch sind die Voraussetzungen für ihre Eintragung gegeben. Die Eintragung der Baulast setzt nach § 83 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW eine Verpflichtungserklärung des Eigentümers des zu belastenden Grundstücks voraus. Verpflichtungserklärungen aller Grundstückseigentümer, über deren Flächen die wegemäßige Erschließung der von dem Kläger geplanten Windenergieanlage erfolgen soll, liegen im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung nicht vor; mit ihnen ist auch rechtzeitig vor Fertigstellung der baulichen Anlage nicht mehr zu rechnen. Die von dem Kläger bevorzugte Erschließungsvariante 1 verläuft unter anderem über die Grundstücke Gemarkung C1. , Flur 6, Flurstücke 6, 127 und 152. Die Alleineigentümerin des Flurstücks 152 und Miteigentümerin der Flurstücke 6 und 127, Frau J1. T1. , hat bereits zum Ausdruck gebracht, dass sie einer Nutzung der in ihrem Allein- bzw. Miteigentum stehenden Flurstücke als Zuwegung für die von dem Kläger geplante Windenergieanlage nicht zustimmt. Diese Ansicht wird auch von 27 weiteren Miteigentümern der Flurstücke 6 und 127 geteilt.
54

Im Übrigen liegen Baulasterklärungen der Beigeladenen hinsichtlich der in ihrem Eigentum stehenden Grundstücke Gemarkung B. , Flur 6, Flurstücke 92, 9 und 84 nicht vor. Sie sind auch nicht absehbar. Insbesondere erstreckt sich das von dem Kläger vor dem Amtsgericht M. betriebene Klageverfahren auf Abgabe einer Baulasterklärung nicht auf diese Grundstücke. Ferner hat der Kläger auch nicht die Baulasterklärungen der Eigentümer der Grundstücke Gemarkung B. , Flur 6, Flurstücke 28, 11 und 12 vorlegen können. Somit war dem Hauptantrag der Erfolg versagt.
55

Es liegen aber auch keine ausreichenden Baulasterklärungen für die alternativen Erschließungsvarianten 2 und 3 vor. Die notarielle Erklärung des Allein- bzw. Miteigentümers der Grundstücke Gemarkung B. , Flur 6, Flurstücke 22, 26, 29, 31, 106, 156 und 173, Herrn F1. -X. C. , vom 15. März 2006 genügt insoweit nicht. Die Grundstücke Gemarkung B. , Flur 6, Flurstücke 29 und 173, stehen soweit ersichtlich, nicht in seinem Alleineigentum. Eine Baulasterklärung der Rechtsnachfolger der verstorbenen Miteigentümer liegt nicht vor. Ihre Baulasterklärung ist auch nicht entbehrlich, weil - wie der Kläger meint - Herr F1. - X. C. auf Grund seines Miteigentums berechtigt ist, das Grundstück uneingeschränkt zu nutzen und diese Nutzung an Dritte mittels Baulasterklärung zu übertragen. Vielmehr sind bei Miteigentum an einem Grundstück, für das eine Baulast übernommen werden soll, von allen Miteigentümern entsprechende Verpflichtungserklärungen abzugeben.
56

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 09. Mai 1995 - 11 A 4010/92 -, BRS 57 Nr. 204; Hahn, in: Boeddinghaus/Hahn/Schulte, Bauordnung für das Land Nordrhein-Westfalen, Loseblatt-Kommentar, Band 2, Heidelberg, München, Landsberg, Berlin, Stand: 01. Oktober 2005, § 83 Rn. 52; Heintz, in: Gädtke/Temme/Heintz, Landesbauordnung für das Land Nordrhein-Westfalen, Kommentar, 10. Auflage, Düsseldorf 2003, § 83 Rn. 40.
57

Soweit sich der Kläger darauf beruft, die Rechtsnachfolger der verstorbenen Miteigentümer seien nicht zu ermitteln, besteht keine Veranlassung den Ausgang des Grundbuchberichtigungsverfahrens abzuwarten. Es ist Aufgabe des Klägers die Bauvorlagen rechtzeitig und vollständig einzureichen. Dementsprechend sieht § 72 Abs. 1 Satz 2 BauO NRW die Zurückweisung des Bauantrages bei Unvollständigkeit der Bauvorlagen vor.
58

Weiter liegt auch keine Baulasterklärung der Eigentümerin des Grundstücks Gemarkung B. , Flur 6, Flurstück 32, vor. Die Beigeladene als Eigentümerin des Flurstücks 32 hat bereits erklärt, eine entsprechende Baulasterklärung nicht abzugeben. Das Amtsgericht M. hat die Beigeladene zur Abgabe einer entsprechenden Willenserklärung bisher auch nicht verurteilt. Ob und wann mit der Rechtskraft einer solchen Verurteilung zu rechnen ist, ist derzeit völlig ungewiss.
59

Ferner fehlt es hinsichtlich der Erschließungsvariante 3 auch an der Baulasterklärung der Eigentümerin des Grundstücks Gemarkung B. , Flur 6, Flurstück 196.
60

Der Kläger kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die von ihm für die wegemäßige Erschließung vorgesehenen Wege gemeinschaftliche Angelegenheiten im Sinne des § 1 des Gesetzes über die durch ein Auseinandersetzungsverfahren begründeten gemeinschaftlichen Angelegenheiten vom 09. April 1956 (GV. NRW. 1956, Seite 134) sind. Nach dieser Vorschrift sind gemeinschaftliche Angelegenheiten nur Wege, die nach den Festsetzungen im Rezess eines Auseinandersetzungsverfahrens (Separations-, Gemeinheitsstellungs-, Ablösungs- und Rentengutsverfahren sowie Zusammenlegung oder Umlegungsverfahren nach preußischem Recht) zur gemeinschaftlichen Benutzung bestimmt sind oder einem anderen gemeinschaftlichen Interesse dienen. Für die Durchführung eines Auseinandersetzungsverfahrens hinsichtlich der von dem Kläger für die wegemäßige Erschließung in Anspruch genommenen Wege ist nichts ersichtlich. Ein Auseinandersetzungsverfahren nach preußischem Recht ist im Übrigen auch nicht denkbar, weil das Gemeindegebiet der Beigeladenen nicht zum ehemaligen Land Preußen gehörte.
61

Schließlich ist zumindest der in der Erschließungsvariante 2 vorgesehene, über das Gehöft T. 1 verlaufende Weg sowie der nach der Planung des Klägers in den Erschließungsvarianten 2 und 3 vorgesehene Weg auf der Wegeparzelle Gemarkung B. , Flur 6, Flurstück 173, nicht vorhanden. Ob die Wege ausreichend befahrbar sind, kann nach den vorangegangenen Ausführungen offen bleiben, da davon die Erfolglosigkeit des Klagebegehrens nicht abhängt.
62

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht gemäß § 162 Abs. 3 VwGO erstattungsfähig. Denn es entspricht nicht der Billigkeit, sie dem Kläger aufzuerlegen. Die Beigeladene hat keinen eigenen Antrag gestellt und sich damit auch nicht dem aus § 154 Abs. 3 VwGO folgenden Kostenrisiko ausgesetzt.
63

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO bzw. aus § 167 VwGO i.V.m. § 709 ZPO.



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