Heranziehung zu einem Sanierungsausgleichsbetrag

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Heranziehung zu einem Sanierungsausgleichsbetrag

Beitrag von Klaus » 24.10.2008, 10:44

Verwaltungsgericht Arnsberg, 14 K 30/03
Datum: 15.11.2004
Gericht: Verwaltungsgericht Arnsberg
Spruchkörper: 14. Kammer
Entscheidungsart: Urteil
Aktenzeichen: 14 K 30/03
Tenor:

Die Bescheide des Beklagten vom 10. November 2000 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 6. Dezember 2002 und der Erklärung des Beklagten vom 15. November 2004 betreffend den Bescheid für das Flurstück 390 werden aufgehoben.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Berufung wird zugelassen.

T a t b e s t a n d :
1

Der Kläger wendet sich gegen seine Heranziehung zu einem Sanierungsausgleichsbetrag. Er ist Eigentümer des Grundstücks Gemarkung G. Flur 13 Flurstücke 323, 324 und 390, wobei seine Ehefrau an der Parzelle 390 Miteigentum besitzt. Das Grundstück ist mit dem älteren Wohnhaus „B- straße 5" bebaut, das von dem Kläger und seiner Familie selbst genutzt wird. Es liegt im Wesentlichen nordostwärts der Straße „B-straße „, zu der es in der Vergangenheit lediglich eine Punktverbindung hatte. Im Übrigen grenzte es im Südwesten und Südosten an einen namenlosen Weg, der von der Straße „B- straße „ nach Norden abzweigte und vor einem größeren Industriegelände (Firma T ) endete.
2

Das Grundstück des Klägers lag im Sanierungsgebiet "Stadtmitte I E" der Stadt G. . Die Sanierung erfasste einen Bereich, der sich auf einer Länge von etwa 250 Metern südostwärts der C.------straße erstreckte und in Richtung Südosten eine Ausdehnung von bis zu 130 Metern hatte. Das Gelände wurde ursprünglich erschlossen durch die von der C.------straße nach Südosten abzweigende Straße "B- straße ", die in ihrem weiteren Verlauf nach Süden verschwenkte, sowie durch den Stichweg entlang der Grenzen des Grundstücks des Klägers und einen weiteren Stichweg im Nordosten. Das Gelände der Firma T erstreckte sich im Nordwesten bis zur C.------straße und in Richtung Südosten bis zum Rand des Bebauungszusammenhanges. In der Nachbarschaft dieses Betriebes waren entlang der C.------straße überwiegend gemischt genutzte Grundstücke anzutreffen, während im Hintergelände beiderseits der Straße "B-straße " auch reine Wohnnutzung stattfand. Das fragliche Gebiet wurde von dem im Wesentlichen parallel zur C.------ straße verlaufenden Gewässer "X. " durchzogen, das allerdings in weiten Bereichen seit Jahrzehnten überbaut war, unter anderem von dem bereits angesprochenen Industriebetrieb und auch von weiteren Gebäuden entlang der C.--- ---straße .
3

In seiner Sitzung vom 30. Mai 1974 beschloss der Rat der Stadt G. auf der Grundlage von § 4 des damaligen Städtebauförderungsgesetzes (StBFG) die vorbereitenden Untersuchungen für das künftige Sanierungsgebiet "Stadtmitte". Gegenstand des Beschlusses, der sämtliche betroffenen Grundstücke nach Gemarkung, Flur und Flurstück aufzählt, war allerdings nicht die Flur 13, in welcher der Grundbesitz des Klägers liegt. Mit der Durchführung der Untersuchungen wurde die Landesentwicklungsgesellschaft Nordrhein-Westfalen (LEG) betraut, die ihre Ergebnisse im Mai 1976 vorlegte. Die LEG hatte in diesem Zusammenhang auch die Verhältnisse in der Flur 13 untersucht; nach den Feststellungen der LEG war das Gelände der inzwischen erloschenen Firma T zum damaligen Zeitpunkt bereits "öffentlicher Grundbesitz".
4

Am 16. Juni 1976 beschloss der Rat der Stadt G. die "Satzung über die förmliche Festlegung des Sanierungsgebietes 'Stadtmitte I E' der Stadt G. ", die mit Verfügung des Regierungspräsidenten Arnsberg vom 5. Oktober 1976 genehmigt wurde. Zuvor hatte die Stadt G. das Verfahren zur Aufstellung des Bebauungsplans Nr. 43 "Stadtmitte I E" eingeleitet. Die Veröffentlichung des Plans gem. § 12 des damaligen Bundesbaugesetzes (BBauG) erfolgte am 26. Juli 1977. Mit Urteil vom 8. März 1983 - 7 a NE 32/77 - stellte das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen die Nichtigkeit des Bebauungsplans fest, weil die von der Stadt G. gewählte Form der Schlussbekanntmachung nicht die erforderliche Anstoßwirkung entfaltet habe. Die von den damaligen Antragstellern ebenfalls angegriffene Sanierungssatzung wurde vom Oberverwaltungsgericht indessen ausdrücklich gebilligt. Später betrieb die Stadt G. eine Neubeplanung des Gebiets. Hierzu stellte sie den Bebauungsplan Nr. 43 a "Neufassung - Stadtmitte I E" auf, der den Bereich südostwärts der C.------straße und nordostwärts der Straße "B-straße " als Kerngebiet sowie den Bereich südwestlich der Straße "B-straße " als Mischgebiet ausweist. Ferner wird eine Erschließungsstraße "M-straße " festgesetzt, die von der Straße "B-straße " im Wesentlichen nach Nordosten abzweigen und an einem Wendeplatz enden soll. Entlang dieser Straße wie auch auf weiteren nicht überbaubaren Flächen sind zahlreiche Stellplätze dargestellt. Die vorhandene Bebauung befindet sich auf durch Baugrenzen festgesetzten überbaubaren Flächen, und zwar auch insoweit, als die vorhandene Bebauung die "X. " überdeckt. Mittlerweile ist das Gelände durchweg plangemäß bebaut. B. Standort der ehemaligen Fabrik ist ein sogenanntes "Geschäftszentrum" entstanden, welches im Erdgeschoss Ladenlokale und in den Obergeschossen freiberufliche Nutzungen aufnimmt. Die Andienung der Läden kann über die Straße "M-straße " erfolgen.
5

Am 30. April 1998 beschloss der Rat der Stadt G. die Aufhebung der Sanierungssatzung; der Beschluss wurde am 20. Mai 1998 veröffentlicht. Bereits in den Jahren 1994 und 2000 hatte der Gutachterausschuss für Grundstückswerte im Kreis Siegen-Wittgenstein Wertgutachten für das fragliche Sanierungsgebiet erstellt mit dem Ziel, die Anfangs- und Endwerte im Sinne von § 154 Abs. 2 des Baugesetzbuches (BauGB) zu ermitteln. In seinem Gutachten vom 23. Februar 2000 hatte der Ausschuss für das Grundstück des Klägers zum Stichtag 21. Mai 1998 eine sanierungsbedingte Wertsteigerung von 175,00 DM auf 205,00 DM je qm angenommen.
6

Mit Schreiben vom 24. Mai 2000 teilte der Beklagte dem Kläger mit, es sei beabsichtigt, für seinen Grundbesitz einen Ausgleichsbetrag nach § 154 BauGB zu erheben. Wegen der Höhe des voraussichtlich zu zahlenden Betrages verwies er auf das Wertgutachten des Ausschusses vom 23. Februar 2000.
7

Daraufhin meldete sich der Kläger schriftlich bei dem Beklagten und machte geltend: Er habe aus der Sanierung keine Vorteile, weil sein Grundstück als einziges Objekt mit einem reinen Wohnhaus bebaut sei. Infolge der Sanierung seien diverse Nacharbeiten auf seinem Grundstück erforderlich geworden. Die Lage des Grundstücks inmitten des Verkehrsgeschehens stelle eine Belastung dar. Für den Straßenausbau habe er vor einigen Jahren Flächen zum Preise von 40,00 DM je qm verkauft. Nunmehr solle das Grundstück nach den Feststellungen des Beklagten 170,00 DM je qm wert sein. Insofern fühle er sich „irgendwie verraten und betrogen".
8

Mit drei Bescheiden vom 10. November 2000 setzte der Beklagte für den Grundbesitz des Klägers einen Ausgleichsbetrag in Höhe von insgesamt 20.580,00 DM fest. Hierbei hatte er angenommen, jedes der drei dem Kläger gehörenden Flurstücke habe durch die Sanierung eine Wertsteigerung um 30,00 DM, nämlich von 175,00 DM/qm auf 205,00 DM/qm, erfahren.
9

Mit Schreiben vom 19. November 2000 widersprachen der Kläger und seine Ehefrau den Bescheiden des Beklagten. Sie machten geltend: Eine Nachfrage bei den Nachbarn habe ergeben, dass sie die einzigen Anlieger der Straße „B- straße „ seien, die zu einer Zahlung aufgefordert worden seien. Insoweit nähmen sie ihr Recht in Anspruch, weil ein Betrag von über 20.000,00 DM für einen Rentner kein Pappenstiel sei. Sie bäten zu erfahren, wie dies zu Stande gekommen sei.
10

Aufgrund der entsprechenden Rechtsbehelfe eines anderweitig sanierungsbetroffenen Eigentümers ordnete die seinerzeit zuständige 13. Kammer des erkennenden Gerichts mit Beschluss vom 2. März 2001 - 13 L 1770/00 - die aufschiebende Wirkung des in jener Sache erhobenen Widerspruchs an. Mit eingehenden Ausführungen begründete das Gericht seine Ansicht, das Gutachten des Ausschusses vom 23. Februar 2000 sei fehlerhaft und könne keine taugliche Grundlage für die Wertfestsetzung sein. Daraufhin setzte der Beklagte mit Bescheid vom 30. März 2001 auf der Grundlage von § 80 Abs. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) die Vollziehung der angefochtenen Bescheide aus.
11

In der Folgezeit untersuchte der Gutachterausschuss erneut die Bodenwertsteigerungen in dem fraglichen Sanierungsgebiet. In seiner Sitzung vom 16. Mai 2002 beschloss er das Gutachten Nr. 1155/2002 über die "Basiswerte als besondere Bodenrichtwerte". Am 6. September 2002 beschloss der Ausschuss ferner das Gutachten Nr. 1162/2002 betreffend die Ermittlung des Anfangs- und des Endwertes im Sinne von § 154 Abs. 2 BauGB für den Grundbesitz des Klägers. Der Gutachterausschuss gelangte zu der Auffassung, der Wert des Grundstücks habe sich sanierungsbedingt um 55,00 DM/qm von 80,00 DM/qm auf 135,00 DM/qm erhöht. Hierbei hatte der Ausschuss einerseits einen "fiktiven Erschließungsbeitrag" in Höhe von 50,00 DM/qm und zudem wegen der "deutlichen Verbesserung" des Wohnumfeldes eine Werterhöhung um 5,00 DM/qm angenommen.
12

Mit drei Widerspruchsbescheiden vom 6. Dezember 2002 änderte der Beklagte die angefochtenen Bescheide vom 10. November 2000 dergestalt, dass er nunmehr eine Wertsteigerung in Höhe von 55,00 DM/qm annahm, so dass sich für alle drei Flurstücke zusammen ein Ausgleichsbetrag in Höhe von 37.730,00 DM entsprechend 19.291,05 Euro ergab.
13

Am 6. Januar 2003 hat der Kläger die vorliegende Klage erhoben, zu deren Begründung er vorträgt: Die in den Widerspruchsbescheiden angenommene Werterhöhung sei unzutreffend. Der Wohnwert habe sich selbst nach den Erkenntnissen des Gutachterausschusses kaum noch messbar verbessert. Die Firma T habe in der Vergangenheit keine sonderliche Belastung dargestellt, zumal das Unternehmen nahezu ausschließlich von der C.------straße aus erschlossen worden sei. Es habe sich um eine insgesamt ruhige Wohnlage gehandelt. Diese Lage habe sich verschlechtert, indem eine „Hinterhofatmosphäre" entstanden sei. Das Gelände werde geprägt durch Garagen, die Erschließung des Geschäftszentrums, Müllcontainer und einen Getränkemarkt. Der Beklagte könne auch nicht die angeblich ersparten Erschließungskosten als Werterhöhung berücksichtigen. Sein Grundstück sei bereits früher durch ein dingliches Wegerecht an die Straße „B- straße „ angeschlossen gewesen. Auch aus Rechtsgründen könnten ersparte Erschließungskosten nicht in die Wertermittlung einfließen, sondern allenfalls insoweit, als durch die Erschließung der Wert des Grundbesitzes tatsächlich erhöht worden sei. Das einschlägige Recht habe sich nicht für die sogenannte Kostenlösung, sondern für die durch die Kosten der Maßnahme „gekappte" Wertlösung entschieden. Bezüglich des Flurstücks 390 sei der diese Parzelle betreffende Bescheid auch wegen des Miteigentums seiner Ehefrau rechtswidrig. Im Übrigen setzt sich der Kläger näher mit den Gutachten auseinander, die den angefochtenen Bescheiden zugrunde liegen. Auf die einschlägigen Überlegungen wird das Gericht sogleich im Rahmen der Entscheidungsgründe eingehen.
14

Nachdem der Beklagte in der mündlichen Verhandlung seinen das Flurstück 390 betreffenden Bescheid in Höhe eines Betrages von 1.815,00 DM aufgehoben hat, beantragt der Kläger,
15

die Bescheide des Beklagten vom 10. November 2000 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 6. Dezember 2002 und, soweit das Flurstück 390 betroffen ist, in der Gestalt der Erklärung des Beklagten vom 15. November 2004 aufzuheben.
16

Der Beklagte beantragt,
17

die Klage abzuweisen.
18

Nähere Ausführungen zur Sach- und Rechtslage hat er in diesem Verfahren nicht vorgetragen.
19

In Ausführung des Beschlusses vom 13. Februar 2004 hat der Berichterstatter die örtlichen Verhältnisse am 5. April 2004 in Augenschein genommen. Wegen der hierbei getroffenen Feststellungen wird auf den Inhalt der Niederschrift (Blätter 65 bis 68a der Gerichtsakte) verwiesen.
20

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen.
21

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
22

Die nach § 42 Abs. 1 VwGO zulässige Anfechtungsklage hat auch in der Sache Erfolg. Denn der Kläger wird durch die angefochtenen Bescheide in seinen Rechten verletzt im Sinne von § 113 Abs. 1 VwGO.
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Die mit der vorliegenden Klage angegriffenen Bescheide des Beklagten, welche als belastende Verwaltungsakte einer gesetzlichen Ermächtigung bedürfen, finden diese nur in § 154 Abs. 1 BauGB. Nach dieser Vorschrift, die in der Neubekanntmachung des Baugesetzbuches vom 23. September 2004 keine Änderung erfahren hat, muss der Eigentümer eines im förmlich festgelegten Sanierungsgebiet gelegenen Grundstücks zur Finanzierung der Sanierung an die Gemeinde einen Ausgleichsbetrag entrichten, der der durch die Sanierung bedingten Erhöhung des Bodenwerts seines Grundstücks entspricht. Im vorliegenden Fall ist für das Grundstück des Klägers eine sanierungsbedingte Werterhöhung, die der Beklagte abschöpfen könnte, jedoch nicht eingetreten. Soweit der Beklagte auf die „ersparten Erschließungsbeiträge" verweist, kann dieser Gesichtspunkt aus Rechtsgründen nicht berücksichtigt werden. Soweit im Übrigen in dem Wertgutachten 1162/2002 eine Werterhöhung um 5,00 DM je qm wegen der „deutlichen Verbesserung" des Wohnumfeldes angenommen wird, vermag die Kammer dem aus tatsächlichen Gründen nicht zu folgen.
24

Allerdings ist es nicht fraglich, dass, wenn in einem Sanierungsgebiet Straßen und ähnliche Erschließungsanlagen hergestellt oder vorhandene Anlagen erweitert oder verbessert werden, diese Maßnahmen den Bodenwert der von ihnen betroffenen Grundstücke beeinflussen können. Dieser Gesichtspunkt ist bei der Festsetzung von Ausgleichsbeträgen nach § 154 BauGB zu berücksichtigen. Wird ein Grundstück im Zuge einer Sanierung erstmals erschlossen, tritt die Wertsteigerung offen zutage: Ein nicht erschlossenes Grundstück kann weder baulich (§§ 30, 34, 35 BauGB) noch auf sonstige Weise wirtschaftlich sinnvoll genutzt werden. Aber auch ein bereits erschlossenes Grundstück kann durch eine zusätzliche Erschließung eine Bodenwerterhöhung erfahren, etwa wenn es aufgrund der weiteren Anbindung an das Verkehrsnetz wirtschaftlich besser genutzt werden kann,
25

vgl. hierzu etwa Kleiber in Kleiber/Simon/Weyers, Verkehrs- ermittlung von Grundstücken, 4. Auglage (2002) § 14 WertV Rdnr. 134.
26

Gleichwohl ist es der Gemeinde verwehrt, auf der Grundlage des § 154 BauGB die Kosten der Erschließungsmaßnahmen nach Maßgabe der Vorschriften des Erschließungsbeitragsrechts bzw. des Kommunalabgabenrechts und des gemeindlichen Satzungsrechts auf die Eigentümer umzulegen. Ein solches Vorgehen wird durch § 154 Abs. 1 Satz 2 BauGB ausgeschlossen. Nach dieser Bestimmung sind, wenn und soweit im förmlich festgelegten Sanierungsgebiet Erschließungsanlagen im Sinne des § 127 Abs. 2 BauGB (Straßen, Wege. Plätze usw.) hergestellt, erweitert oder verbessert werden, die Vorschriften über die Erhebung von Beiträgen für diese Maßnahmen nicht anzuwenden. Dies gilt übrigens nicht nur für das bundesrechtliche Erschließungsbeitragsrecht, sondern auch für landesrechtliche Straßenbaubeiträge nach den Bestimmungen der Kommunalabgabengesetze. Es soll eine Doppelbelastung der Eigentümer von Grundstücken im Sanierungsgebiet vermieden werden, die nicht einerseits die Ausgleichsbeträge nach § 154 BauGB und zusätzlich Beiträge für den Straßenbau leisten sollen. Mit dieser Intention des Gesetzes ist indessen eine Bodenwertermittlung unvereinbar, die einen "fiktiven Erschließungsbeitrag" feststellt, der ohne die Sanierung von den Eigentümern zu entrichten wäre, und sodann diesen Betrag ohne Rücksicht auf die konkrete Grundstückssituation in die Bestimmung des Anfangs- oder des Endwertes einfließen lässt.
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Der Beklagte kann seine gegenteilige Auffassung nicht auf die namentlich in der mündlichen Verhandlung erörterte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts stützen. Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht,
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vgl. das Urteil vom 21. Oktober 1983 - 8 C 40.83 -, Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwGE) Bd. 68 S. 130,
29

ausgeführt, die beitragsrechtliche Bevorzugung von Eigentümern in Sanierungsgebieten, die im Vergleich mit anderen Grundeigentümern keine Beiträge zahlen müssten, bedürfe mit Rücksicht auf den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 des Grundgesetzes (GG) eines sie rechtfertigenden Grundes, der durch das Städtebauförderungsgesetz (bzw. heute das Baugesetzbuch) bewirkt werde, indem nur die Eigentümer in Sanierungsgebieten mit Ausgleichsbeträgen belastet würden; der Freistellung von zukünftigen Erschließungs- und Ausbaubeitragspflichten stehe gleichsam als Äquivalent die zukünftige Belastung mit anteiligen Ausgleichsbeträgen gegenüber. Soweit der Beklagte nun meint, jene Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts rechtfertige die von ihm geübte Praxis bzw. verlange diese gar, folgt die Kammer dem aber nicht.
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Zunächst nötigt der Hinweis des Bundesverwaltungsgerichts auf Art. 3 GG nicht zu der Annahme, das Bundesverwaltungsgericht erachte es zur Wahrung der Gleichheit vor dem Gesetz für geboten, der durch § 154 Abs. 1 Satz 2 BauGB heutiger Fassung bewirkten Ersparnis einen um genau diesen Ersparnisbetrag erhöhten Ausgleichsbetrag gegenüber zu stellen. Bekanntlich verlangt der grundrechtliche Gleichheitssatz, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln; keineswegs verbietet er sachlich begründete Differenzierungen. Die Eigentümer von Grundstücken in einem Sanierungsgebiet sind jedoch für die Dauer der Sanierung mannigfaltigen Einschränkungen unterworfen, denen die übrigen Grundeigentümer gerade nicht ausgesetzt sind. So bedarf etwa jedwede Baumaßnahme im Sanierungsgebiet nicht nur der Genehmigung durch die zuständige Bauordnungsbehörde, sondern auch der von der Gemeinde zu erteilenden Sanierungsgenehmigung nach §§ 144, 145 BauGB. Der Sanierungsvermerk im Grundbuch sowie das Erfordernis, zu Rechtsgeschäften in Ansehung von Grundstücken und sonstigen grundstücksbezogenen Vorgängen Genehmigungen einzuholen (vgl. § 144 Abs. 2 BauGB), mögen als weitere Beispiele genügen. Wenn indessen die Eigentümer von Grundstücken in Sanierungsgebieten durch § 154 Abs. 1 Satz 2 BauGB nicht nur eine Entlastung erfahren, sondern in anderer Hinsicht eine deutliche Schlechterstellung im Vergleich mit anderen Grundstückseigentümern, gebietet es der Gleichheitssatz nicht, hinsichtlich der Erschließungs- und Straßenbaubeiträge eine Gleichheit zu 100 Prozent herzustellen.
31

Gegen die Annahme des Beklagten spricht im Übrigen der Wortlaut des § 154 Abs. 2 BauGB, der ausschließlich auf Bodenwerte abstellt und namentlich den Anfangswert abschließend definiert. Bei der Ermittlung des Anfangswerts sind jedoch alle wertbildenden Faktoren auszuschließen, welche durch die beabsichtigte Sanierung ausgelöst werden. Bereits deshalb ist es bedenklich, Erwägungen betreffend ersparte Erschließungskosten bei der Bildung des Anfangswerts anzusiedeln, weil ja die im Zuge der Sanierung hergestellten Erschließungsanlagen eine sanierungsbedingte Werterhöhung bewirken, so dass sie - wenn überhaupt - beim Endwert zu berücksichtigen wären. Im Übrigen sind die Überlegungen des Beklagten auch deshalb fehlerhaft, weil sie an den wirtschaftlichen Realitäten vorbei gehen. Der Käufer eines bislang nicht erschlossenen Grundstücks, der dieses baulich nutzen möchte, ist sich bewusst, dass er zuvor die Erschließung finanzieren muss. Denn ein nicht erschlossenes Grundstück kann unabhängig davon, welche planungsrechtlichen Vorschriften einschlägig sind (§§ 30, 34, 35 BauGB), nicht bebaut werden. Die voraussichtlichen Kosten einer erstmaligen Erschließung sind mithin ohne Weiteres ein wertbildender Faktor, der in voller Höhe in die Wertermittlung eingestellt werden mag. Für eine weitere Erschließung stellt sich die wirtschaftliche Situation indessen vollkommen anders dar. So ist etwa ein gewerblich nutzbares Grundstück, welches an seiner Vorderseite und im rückwärtigen Bereich erschlossen ist, tendenziell mehr wert als ein lediglich einseitig erschlossenes Grundstück, zumal für viele gewerbliche Nutzungen die sogenannte rückwärtige Andienung deutliche Vorteile mit sich bringt. Die Annahme des Beklagten, die Werterhöhung des Grundstücks gerade durch eine zusätzliche Erschließung entspreche betragsmäßig der Höhe der Beiträge, die der Eigentümer hierfür hätte zahlen müssen, ist jedoch eine unzulässige Fiktion. Es mag gewerbliche Nutzungen, z. B. Einzelhandel, geben, für welche eine rückwärtige Andienung unverzichtbar ist, damit auch während der Anlieferungszeiten im vorderen Bereich, dem Ladenlokal, der Geschäftsbetrieb unbehindert fortgesetzt werden kann. Für etliche andere Nutzungen, namentlich etwa auch für Wohnnutzungen, ist eine zweite Erschließung möglicherweise zwar angenehm, ohne dass der Nutzer indessen bereit wäre, für diese Annehmlichkeit einen Mehrwert zu zahlen, der betragsmäßig den Erschließungsbeiträgen entspricht, die für die betreffende Anlage erhoben werden. Würde der Veräußerer versuchen, die von ihm bereits entrichteten Kosten für die Zweiterschließung in vollem Umfang an einen Käufer weiterzugeben, würden sich zahlreiche potenzielle Erwerber, die angesichts der von ihnen beabsichtigten Nutzung des Grundstücks mit einer "einfachen" Erschließung vollauf zufrieden sind, im Zweifel nach einem preisgünstigeren und auf Dauer nur einfach erschlossenen Grundstück umsehen.
32

Auf der Grundlage der vorstehenden Erwägungen ist die Kammer davon überzeugt, dass der Grundbesitz des Klägers durch den heutigen Zustand der Straßen „B-straße" und „M-straße „ im Vergleich zum früheren Zustand keinen oder jedenfalls keinen nennenswerten Wertzuwachs erfahren hat. Keinesfalls ist es angängig, mit einem Betrag von 50,00 DM je qm zu kalkulieren. Das Grundstück B- straße 5 war bereits in der Vergangenheit erschlossen, wenn auch nur über den Stichweg, der von der öffentlichen Verkehrsfläche aus nach Nordosten abzweigte. Nach dem Vortrag des Klägers (vgl. Seite 4 des Schriftsatzes vom 3. Juni 2003) besaß er insoweit ein dinglich abgesichertes Geh- und Fahrrecht, welches nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein- Westfalen,
33

vgl. etwa das Urteil vom 13. Mai 1976 - X A 509/75 -, Entschei- dungen der Oberverwaltungsgerichte Band 32 Seite 46 = Neue Juristische Wochenschrift 1977 Seite 725,
34

einen „eigenen Zugang" im Sinne von § 4 Abs. 4 der Bauordnung für das Land Nordrhein-Westfalen vom 25. Juni 1962 in der Fassung der Bekanntmachung vom 27. Januar 1970 bildete. Wenngleich seit dem Inkrafttreten der Bauordnung vom 26. Juni 1984 nach deren § 4 Abs. 1 die Errichtung von Gebäuden nur noch zulässig ist, wenn das betreffende Grundstück entweder selbst an einer öffentliche Straße liegt oder eine öffentlich-rechtlich gesicherte Zufahrt zu einer solchen Straße besitzt, stellt sich die erstmalige Herstellung der Straße „M-straße „ bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise nicht als Ersterschließung dar. Denn das Grundstück des Klägers war bereits - nach altem Baurecht - bebaut worden; diese Bebauung genoss Bestandschutz, wobei Änderungen und Erweiterungen auch nach dem alten Erschließungszustand möglich gewesen wären. Kann indessen die Straße „M- straße „ allenfalls als zweite (zusätzliche) Erschließung verstanden werden, ist es nach den vorstehenden Überlegungen nicht statthaft, insoweit einen „fiktiven Erschließungsbeitrag" ohne Rücksicht auf die konkreten Umstände des Grundstücks als Werterhöhung anzunehmen.
35

Allerdings mag der Umstand, dass heutzutage das Grundstück B-straße 5 unmittelbar an einer öffentlichen Verkehrsfläche liegt, ein wertbildender (erhöhender) Faktor sein. Dieser Faktor ist indessen weder dem Gericht noch dem Beklagten bekannt; auch der Gutachterausschuss könnte sich hierzu nicht ohne Weiteres äußern. Vielmehr müsste eingehend untersucht werden, auf welche Weise der Grundstücksmarkt reagiert, wenn ein bislang „nur" nach Maßgabe des früheren Bauordnungsrechts erschlossenes Grundstück eine in jeder Hinsicht den heutigen Anforderungen genügende Erschließung erfährt. Auf diese Weise würden völlig neue Berechnungsgrundlagen erhoben, so dass auch die Anwendung von § 113 Abs. 2 VwGO nicht in Betracht kommt, wonach das Gericht eine Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse bestimmen kann,
36

vgl. hierzu auch Kopp/Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung, 13. Auflage (2003) § 113 Rand-Nr. 153.
37

Ein "Nachbessern" der angefochtenen Entscheidungen durch das Gericht, das sich hierzu gutachterlicher Hilfe bedienen müsste, ist sonach nicht möglich. Die Bescheide sind vielmehr ersatzlos aufzuheben, soweit die Verbesserung der Erschließungssituation und deren Berücksichtigung bei der Wertermittlung in Rede steht.
38

Auch im Übrigen können die Bescheide keinen Bestand haben, soweit die Beklagte eine Werterhöhung um 5,00 DM je qm wegen der vermeintlichen Verbesserung des Wohnumfeldes angenommen hat. Zwar ist die Kammer mit dem Beklagten der Ansicht, dass die Beseitigung des Industriebetriebes T für das Wohnhausgrundstück des Klägers ein messbarer Vorteil war. Vergleicht man allein die frühere Nutzung des nördlich gelegenen Geländes mit dem heutigen Zustand, mag eine Wertverbesserung um 5,00 DM je qm denkbar sein. Das Grundstück hat jedoch - wie der Berichterstatter im Ortstermin feststellen konnte - durch die heutige Verkehrsführung beträchtliche Nachteile erfahren. So konnte am Nachmittag des 5. April 2004 im Einmündungsbereich „B-straße / M-straße „ auf beiden Straßen „durchaus nennenswerter Verkehr festgestellt werden", während das Verkehrsgeschehen nach allen Erkenntnissen, namentlich nach dem früheren Kartenmaterial, in der Vergangenheit eher ruhig war. Die geringe Bedeutung des Stichweges, der entlang der Südostgrenze des Grundstücks verlief, wird in dem Schriftsatz der Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 3. Juni 2003 (Seite 2 f da selbst) anschaulich geschildert. Auch nach der Kartenlage war die verkehrliche Funktion dieses Weges tendenziell gering. Die Straße „B-straße „ war von dem Wohngebäude des Klägers ähnlich weit entfernt wie heute; jedoch befand sich damals auf dem heutigen Flurstück 389 eine Garagenzeile, die in gewisser Weise als Lärmschutzeinrichtung geeignet war. Nunmehr rückt der Verkehr von und zu den zahlreichen Stellplätzen beiderseits der Straße „M-straße „ wesentlich näher an das Grundstück des Klägers heran. Die Verkehrssituation wird auch in dem Gutachten 1162/02 keineswegs verkannt; die rückwärtige Andienung des Geschäfts- und Dienstleistungsbereichs wird durchaus als störend gesehen. Jedoch vermag die Kammer dem Gutachterausschuss nicht zu folgen, soweit dort die ursprüngliche Situation des Grundstücks beschrieben und bewertet wird. Der „mangelhafte Ausbauzustand" der Verkehrsflächen (Seite 17 des Gutachtens) ist grundsätzlich nicht geeignet, dass Wohnumfeld als „schlecht" erscheinen zu lassen, weil für ein Wohnhaus - wie heutige Maßnahmen der Verkehrsberuhigung zeigen - eine gut ausgebaute Straße keineswegs zwingend einen Vorteil darstellt. Im Übrigen lässt das von dem Kläger dem Gericht überreichte Lichtbild einen durchaus angemessenen Ausbauzustand der Verkehrsflächen erkennen. Die Feststellung des Gutachters, wonach das Wohnumfeld damals „schlecht" gewesen sei, ist damit durchaus erschüttert. Auch bezüglich der Wohnlage vermag die Kammer dem Gutachter nicht zu folgen, sofern dort die Besonnung und Belichtung als „Mittel" eingestuft wird. Die möglicherweise massiven Bauten des Industriebetriebs konnten sich angesichts der Lage der Grundstücke zueinander auf die Besonnung und Belichtung des Grundstücks des Klägers nicht auswirken. Im Übrigen erstreckten sich vor dem Grundstück in südlicher und südostwärtiger Richtung beträchtliche Freiflächen. Die Garagenanlage entlang der Südgrenze stellte keine nennenswerte starke Beeinträchtigung der Belichtung/Besonnung dar. Denn einmal handelte es sich hierbei ausweislich des bereits angesprochenen Lichtbildes um keine sonderlich hohe Anlage. Zudem betrug der Abstand zwischen der Rückwand der Garagenzeile und dem Wohngebäude selbst etwa neun Meter. Berücksichtigt man schließlich noch, dass das Kellergeschoss des Hauses B-straße 5 als Sockelgeschoss ausgebildet ist, so dass die Wohnräume im Erdgeschoss und im Obergeschoss deutlich höher liegen als das Geländeniveau am Standort, ist eine nennenswerte Beeinträchtigung jedenfalls der Wohnräume durch die früheren Gegebenheiten nicht festzustellen. Wenn der Gutachter die Besonnung und Belichtung gleichwohl nur als „Mittel" einstuft, fehlt hierfür eine dies rechtfertigende Begründung. Gleiches gilt auch für die Feststellung, die Wohnlage sei durch den Andienungsverkehr des Gewerbebetriebes „wesentlich" beeinträchtigt worden. Der diesbezügliche Vortrag des Klägers, der im Übrigen durch das Lichtbild gestützt wird, zeigt ein anderes Bild. Die Erschießung des Industriegeländes erfolgte schwerpunktmäßig von der C.------ straße aus, während dem Stichweg lediglich ergänzende Erschließungsaufgaben zukamen. Die Annahme des Gutachters, die frühere Wohnlage sei danach „schlecht" lässt sich danach durch tatsächliche Feststellungen nicht untermauern. Wenn indessen die Einschätzung des Gutachtens „Wohnumfeld - schlecht; Wohnlage - schlecht" auch nur wegen eines Merkmals in Frage gestellt ist, entfällt der Grund für die Annahme einer Wertsteigerung um 5,00 DM je qm, weil es bezüglich der Merkmale nach der Sanierung heißt „Wohnumfeld und Wohnlage mittel bis schlecht".
39

Nach alledem sind die angefochtenen Bescheide, soweit sie noch Gegenstand des streitigen Verfahrens sind, insgesamt aufzuheben.
40

Die Kostenentscheidung folgt aus § 161 Abs. 2 VwGO, soweit der Beklagte dem Begehren teilweise abgeholfen und in diesem Umfang die Erledigung des Verfahrens herbeigeführt hat. Im Übrigen hat der Beklagte die Kosten nach § 154 Abs. 1 VwGO zu tragen.
41

Die Kammer lässt die Berufung gegen dieses Urteil wegen grundsätzlicher Bedeutung zu, weil die Frage, ob in Sanierungsgebieten "fiktive" Erschließungsbeiträge in der vom Beklagten geübten Weise in die Ausgleichsbeträge nach § 154 BauGB einfließen dürfen, in dem weiter oben zitierten Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 21. Oktober 1983 nicht beantwortet wird. Auch im Übrigen liegen hierzu - soweit ersichtlich - obergerichtliche oder höchstrichterliche Äußerungen nicht vor.



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