Betrieb Nutzungsänderung OLG Hamm, 15 VA 5/06

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Klaus
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Betrieb Nutzungsänderung OLG Hamm, 15 VA 5/06

Beitrag von Klaus »

Oberlandesgericht Hamm, 15 VA 5/06
Datum: 05.05.2006
Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper: 15. Zivilsenat
Entscheidungsart: Beschluss
Aktenzeichen: 15 VA 5/06
Tenor:

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Der Gegenstandswert wird auf 5.000 € festgesetzt.

Gründe
1

I.)
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Die Beteiligten zu 3) haben durch notariellen Kaufvertrag vom 18.08.2005 den im Grundbuch von C Blatt 3805 verzeichneten, aus mehreren Flurstücken bestehenden Grundbesitz gekauft. Verkäufer ist die X eG. Diese betrieb in der Vergangenheit auf dem Grundstück eine Besamungsstation nebst Bullenhaltung. Auf dem Grundstück befinden sich entsprechende Wohn-, Verwaltungs- und Stallgebäude. Der Betrieb wurde spätestens 2002 eingestellt und das Grundstück in der Folgezeit zum Verkauf angeboten.
3

Im Grundbuch (C Blatt 7279) eines im Eigentum des Beteiligten zu 1) stehenden Grundstücks ist zugunsten der Genossenschaft zur Bekämpfung der Zuchtkrankheiten ein Wegerecht eingetragen. Die X e.G. ist aufgrund Verschmelzung Rechtsnachfolgerin der vorgenannten Genossenschaft. Diese beschränkte persönliche Dienstbarkeit ist im notariellen Vertrag vom 18.08.2005 mit übertragen worden. Auf Antrag der Beteiligten zu 3) hat der Beteiligte zu 2) durch Bescheid vom 05.05.2006 festgestellt, dass die Voraussetzungen der §§ 1092 Abs. 2, 1059a Abs. 1 Nr. 2 S. 1 BGB hinsichtlich des Wegerechts vorliegen.
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Hiergegen wendet sich der Beteiligte zu 1) mit seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung, den er durch Schriftsatz seiner Verfahrensbevollmächtigten vom 24.05.2006 bei dem Oberlandesgericht eingereicht hat. Zur Begründung macht er im Wesentlichen geltend, es liege keine Übertragung eines Teils eines Unternehmens im Sinne der genannten Vorschriften vor, weil die für die S P spezifische Unternehmenstätigkeit, nämlich die Gewinnung von Rindersamen, bereits 1998 endgültig aufgegeben worden sei. Die Darstellung der Beteiligten zu 3), sie beabsichtigten auf dem Grundbesitz eine Zucht mit Friesen-Pferden zu betreiben, werde bestritten. Der Grundbesitz sei zudem für eine solche Pferdezucht in mehrfacher Hinsicht ungeeignet, ein wirtschaftlicher Erfolg mit der beabsichtigten Zucht ohnehin nicht zu erzielen.
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II.)
6

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach §§ 23 ff EGGVG ist statthaft, da es sich bei der Feststellungserklärung um die Entscheidung einer Justizbehörde auf dem Gebiet des bürgerlichen Rechts handelt (allg.A.; vgl. etwa Staudinger/Frank, BGB, 13.Aufl., § 1059a Rdn.23). Die Monatsfrist des § 26 EGGVG ist gewahrt. Der Bescheid des Beteiligten zu 2) datiert vom 24.05.2006, kann dem Beteiligten zu 1) also erst nach diesem Datum zugegangen sein. Sein Antrag ist am 26.05.2006 bei dem Oberlandesgericht eingegangen. Der Durchführung eines Beschwerdeverfahrens ( § 24 Abs. 2 EGGVG ) bedarf es nicht, da das Gesetz für das Feststellungsverfahren nach § 1059a BGB kein solches vorsieht. Da der Beteiligte zu 1) geltend macht, durch die Feststellungserklärung in seinen Rechten verletzt zu sein, ist der Antrag auch sonst zulässig ( § 24 Abs. 1 EGGVG ).
7

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat keinen Erfolg.
8

Die sachliche und örtliche Zuständigkeit des Beteiligten zu 2) für die hier in Frage stehende Feststellung ergibt sich aus § 1059a Abs. 1 Ziff. 1 S. 5 BGB i.V.m. § 1 Abs. 1 der VO vom 06.03.1990 (SGV Nr. 301).
9

In der Sache hat der Beteiligte zu 2) die Voraussetzungen des § 1059a Abs. 1 Ziff. 2 S. 1 BGB, der über § 1092 Abs. 2 BGB Anwendung findet, zu Recht bejaht. Die Entscheidung hängt wesentlich davon ab, ob der Kaufgegenstand, also ein bebautes Betriebsgrundstück, als Unternehmen oder Teil eines Unternehmens im Sinne des Gesetzes anzusehen ist. Dies ist hier zu bejahen.
10

Unternehmen in diesem Sinne ist eine organisatorisch-wirtschaftliche Einheit, die ein Betriebsvermögen innehat, das wirtschaftlichen Zwecken dient (Bamberger/Roth/ Wegmann, BGB, Stand 2006, § 1059a Rdn.8). Dass die Rinder Union ein solches Unternehmen unterhält, kann nicht zweifelhaft sein. Entgegen der Ansicht des Beteiligten zu 1) war der Kaufgegenstand auch zu diesem Unternehmen zu rechnen, selbst wenn das Grundstück bereits seit Jahren nicht mehr dem Unternehmenszweck diente. Nach Auffassung des Senats muss es für die Anwendung des § 1059a Abs. 1 Ziff. 2 BGB auf die Übertragung von Sachen ausreichen, dass diese Sachen zum Betriebsvermögen gehört haben, was hier jedenfalls bis 2002 der Fall war, und ihrer tatsächlichen Gestaltung nach objektiv noch zu dem unternehmensspezifischen Zweck geeignet sind, was hier ebenfalls zu bejahen ist. Nicht maßgebend kann hingegen sein, ob der Unternehmensinhaber subjektiv die Absicht hat, die Sachen noch für den Unternehmenszweck einzusetzen, was hier streitig ist. Wollte man nämlich auf eine subjektive Entwidmung der Sache abstellen, käme § 1059a BGB praktisch nie zu Anwendung, weil die Veräußerung derselben denknotwendig voraussetzt, dass der Verkäufer die Absicht zu ihrem unternehmensspezifischen Einsatz aufgibt. Eine Sache, die man verkaufen will, will man nicht mehr für die betriebliche Förderung des Unternehmenszwecks einsetzen.
11

Der Kaufgegenstand ist hier auch als Teil eines Unternehmens im Sinne des § 1059a BGB anzusehen, obwohl es sich lediglich um eine Sache im natürlichen Sinne handelt. Nach zutreffender Auffassung ist im Hinblick auf den Zweck des § 1059a BGB bei der Frage, was als Teil eines Unternehmens anzusehen ist, eine rein wirtschaftliche Betrachtungsweise geboten (Frank a.a.O. Rdn.18). Der Zweck des Gesetzes besteht darin, im Hinblick auf die geringere Schutzbedürftigkeit desjenigen Eigentümers, der ein subjektiv-dingliches Recht einer juristischen Person einräumt er nimmt auf diese Weise die Anonymität des Berechtigten und eine unbestimmte Dauer des Rechts in Kauf (vgl. BGH NJW 1968, 1964, 1965; Wessel DB 1994, 1605f) , die Erhaltung wirtschaftlicher Werte zu ermöglichen. Dementsprechend werden Sachen oder Rechte oder Inbegriffe von solchen bereits dann als Unternehmensteil angesehen, wenn sie –ggf. unter Hinzunahme weiterer Betriebsmittel- ein selbstständiges Wirtschaften ermöglichen (Frank a.a.O. Rdn.19; MK-BGB/Pohlmann, 4.Aufl. § 1059a Rdn.11; Wessel a.a.O.). Hiervon ausgehend ist es in der Literatur heute weitgehend anerkannt, dass auch ein Betriebsgrundstück einen Teil eines Unternehmens im Sinne des Gesetzes darstellen kann (Pohlmann a.a.O., Wessel a.a.O.).
12

Danach muss der hier in Frage stehende Kaufgegenstand als Teil eines Unternehmens bewertet werden. Zu dem Gesamtgrundstück gehören unstreitig die Gebäude, Betriebs- und Weideflächen, die für einen selbstständigen Betrieb im Rahmen des Unternehmenszwecks der S notwendig waren. Entgegen der Auffassung des Beteiligten zu 1) kommt es auch hier nicht auf die subjektive Zielsetzung der Beteiligten zu 3) an, sondern allein auf die objektive Eignung des Gegenstandes für eine unternehmerische Betätigung. Dies ergibt sich nach Auffassung des Senats schon daraus, dass das Gesetz allein auf die Eigenschaft des Übertragungsgegenstandes im Zeitpunkt der Übertragung abstellt und auch keine Regelung für den Fall der Aufgabe einer ggf. zunächst aufgenommenen unternehmerischen Betätigung enthält. Ob unternehmerische Zielsetzungen des Übernehmers tatsächlich vorliegen und sich mit dem Übertragungsgegenstand wirtschaftlich realisieren lassen, lässt sich praktisch immer erst nach der Übertragung feststellen. Ob die Voraussetzungen des § 1059a Abs. 1 Nr. 2 S. 1 BGB vorliegen, muss hingegen, wie das Instrument des Feststellungsverfahrens zeigt, für den Zeitpunkt der Übertragung feststellbar sein.
13

Auch die weitere Voraussetzung nach § 1059a Abs. 1 Nr. 2 S. 1, dass nämlich der Nießbrauch/das Wegerecht geeignet ist, den Zwecken des Unternehmensteils zu dienen, ist hier erfüllt, da das Grundstück unstreitig über keine andere geeignete Zuwegung verfügt.
14

Für die von dem Beteiligten zu 1) angeregte Aussetzung des vorliegenden Verfahrens sieht der Senat keinen gerechtfertigten Anlass. Die Feststellung nach § 1059a Abs. 1 Nr. 2 BGB ist bereits dann zu treffen, wenn wie hier ein vollzugsfähiger schuldrechtlicher Übertragungsvertrag vorliegt. Die behördliche getroffene Feststellung ist zugleich Grundlage für den Grundbuchvollzug des Rechtsübergangs in Ansehung der Dienstbarkeit. Ob der schuldrechtliche Vertrag künftig ggf. aufgrund eines vorbehaltenen Rücktrittsrechts im Zusammenhang mit der Ausübung eines Vorkaufsrechts durch den Beteiligten zu 1) über dessen Wirksamkeit im Zivilprozess gestritten wird rückabzuwickeln ist, ist für die hier zu treffende Entscheidung ohne Bedeutung.
15

Für die Anordnung der Erstattung außergerichtlicher Kosten (§ 30 Abs. 2 EGGVG) sieht der Senat nach dem Ergebnis des Verfahrens keinen Anlass.
16

Die Festsetzung des Gegenstandswertes beruht auf §§ 30 Abs. 3 S. 1 EGGVG, 30 KostO.
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